Wirkungsweise und Verwendung untersuchungspflichtiger Stoffe
Im Folgenden werden zu den einzelnen untersuchungspflichtigen Arbeitsstoffen (Begriff Arbeitsstoff siehe § 2 Abs. 6 ASchG) beispielhaft Tätigkeiten angeführt, die eine Untersuchungspflicht bedingen können.
Für gewisse Tätigkeiten bedarf es besonderer gesundheitlicher Voraussetzung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zur Überprüfung dieser Voraussetzungen sind Eignungs- und Folgeuntersuchungen vorgesehen. Ebenso sind diese durchzuführen, wenn für Tätigkeiten die Gefahr einer Berufskrankheit besteht und der arbeitsmedizinischen Untersuchung im Hinblick auf die damit verbundene Gesundheitsgefährdung prophylaktische Bedeutung zukommt (§ 49 Abs. 1 ASchG).
Ausdrückliche Ausnahmen von Untersuchungspflichten sind in § 2 Abs. 2 bis 5 VGÜ angeführt. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben auf Grundlage der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren unter Berücksichtigung von Messergebnissen und Bewertungen zu beurteilen und zu dokumentieren, ob eine derartige Untersuchungspflicht besteht (§ 6a Abs. 1 VGÜ).
Ohne die Ermittlung und Beurteilung von Arbeitsstoffen und der Exposition am Arbeitsplatz kann eine Untersuchungspflicht nicht beurteilt werden.
Die Ermittlung und Beurteilung der Untersuchungspflicht ist vor der Durchführung von Eignungs- und Folgeuntersuchungen gemäß § 49 ASchG daher unumgänglich. Es müssen Informationen zur Art, Dauer und Höhe der Einwirkung sowie zu den vorhandenen Schutzmaßnahmen und sonstigen Belastungen vorliegen, damit die Untersuchungsergebnisse adäquat beurteilt werden können.
Zum Schutz der Beschäftigten im Zusammenhang mit der Verwendung von untersuchungspflichtigen Arbeitsstoffen ist wesentlich, dass wirksame Schutzmaßnahmen zur Vermeidung der Exposition von Arbeitsstoffen getroffen werden. Dabei ist die Rangfolge der Schutzmaßnahmen zu beachten (§ 7 ASchG iVm § 43 ASchG). Eine optimale Maßnahme wäre der Ersatz (Substitution) durch einen ungefährlichen/weniger gefährlichen Arbeitsstoff.
Zudem ist wesentlich, dass
- Waschmöglichkeiten zur Reinigung von Händen und Gesicht in unmittelbarer Nähe der Arbeitsplätze zur Verfügung stehen,
- verschmutzte Arbeits- bzw. Schutzkleidung regelmäßig gereinigt wird,
- das Verbot der Nahrungsaufnahme am Arbeitsplatz eingehalten wird,
- keine Getränke aus offenen Bechern konsumiert werden und
- das Rauchen von z. B. Tabakwaren nur nach sorgfältiger Reinigung der Hände in den dafür vorgesehenen Bereichen erfolgt.
Wirkungsweise einzelner Arbeitsstoffe
Informationen zur Wirkungsweise der einzelnen Arbeitsstoffe sowie allgemeine Schutzmaßnahmen finden sich auf der Website der GESTIS Stoffdatenbank. Umfassende Informationen in englischer Sprache (inkl. Halbwertszeiten von Stoffen) sind abrufbar in der MAK-Collection for Occupational Health and Safety.
Diverse Merkblätter zum sicheren Umgang mit Arbeitsstoffen finden Sie auf der Website der AUVA im Bereich Publikationen.
Verwendung untersuchungspflichtiger Stoffe
Sollten untersuchungspflichtige Tätigkeiten mit den angeführten Stoffen bzw. Stoffgruppen nicht angeführt sein, wird um kurze schriftliche Mitteilung an die Abteilung 4 im Zentral-Arbeitsinspektorat (II4@bmaw.gv.at) ersucht.
Blei, seine Legierungen oder Verbindungen
- Recycling von bleihaltigen Abfällen
- Aufarbeiten und Einschmelzen von bleihaltigen Altmaterialien
- Verladen und Abfahren bleihaltiger Krätze, Asche oder anderer staubender Materialien sowie Entleeren der Behälter
- Verwenden von pulverförmigen Bleiverbindungen bei der Herstellung von Farben (Restaurierung), Akkumulatoren
- Entfernung bleihaltiger Beschichtungen (z.B. Bürsten, Strahlen (Rostschutzarbeiten))
- Schweißen und Brennschneiden von bleihaltigen oder mit Bleifarben bedeckten Metallteilen (z. B. beim Abbruch von Gebäuden (Rostschutzarbeiten))
- Instandsetzungs-, Reinigungs- und Revisionsarbeiten in den bleierzeugenden und bleiverarbeitenden Bereichen
- Glasmalarbeiten, Bleiverglasungen (insbesondere bei der Restaurierung historischer Bleiverglasungen)
- Verwendung von bleihaltigen Explosivstoffen (Munition und Spezialsprengmitteln)
Quecksilber oder seine anorganischen Verbindungen
- Recycling von Leuchtstoffröhren und/oder anderen quecksilberhaltigen Materialien
- Amalgamaufbereitung
- Elektrolyse mit Quecksilberelektroden (Chloralkali-Elektrolyse)
Arsen oder seine Verbindungen
- Abbrucharbeiten von Produktionsanlagen für Arsen oder seine Verbindungen
- Verarbeitung von arsenhaltigen Erzen
- Kupferverarbeitung bzw. Recycling von arsenhaltigen Kupferlegierungen
- Metallvearbeitung (als Verunreinigung)
Mangan oder seine Verbindungen
- Schweißen von Stahl (bei einer Schweißrauchexposition von > 1,5 mg/m3 als Tagesmittelwert besteht in der Regel eine Untersuchungspflicht auf Mangan und es ist eine Grenzwert-Vergleichsmessung auf Mangan (alveoläre Fraktion) durchzuführen))
- Gewinnung von Mangan
Cadmium oder seine Verbindungen
- Schweißen und Schneiden von cadmiumbeschichteten Werkstoffen
- Recycling von cadmiumhaltigen Altmaterialien (z.B. Nickel-Cadmium-Akkumulatoren, Fernseh-, Mess-, Regeltechnik)
- Entfernung cadmiumhaltiger Beschichtungen (z.B. Bürsten, Strahlen)
- Schweißen und Brennschneiden von mit cadmiumhaltigen Farben lackierten bzw. beschichteten Metallteilen (z.B. beim Abbruch von Gebäuden)
Chrom-VI-Verbindungen
- Anstricharbeiten mittels Spritzverfahren (z.B. Flugzeugindustrie)
- Brennschneiden, Schweißen oder Trockenschleifen, Strahlen von Werkstoffen, die mit Chrom-VI-haltigen Anstrichstoffen beschichtet sind (z.B. Flugzeugindustrie)
- Galvanik (Hartverchromen)
Achtung: Für die o.a. Verwendungen ist zu prüfen, ob eine Zulassung gemäß REACH erforderlich ist.
- Schweißen von hochlegierten Stählen (Chrom-Nickel-Stählen) bzw. Schweißen unter Verwendung von hochlegierten Fülldrähten oder Stabelektroden mit einem Chromgehalt von ≥ 5% Chrom
Cobalt oder seine Verbindungen
- Be- und Verarbeitung von Hartmetallen (Wolframcarbid-Cobalt-Hartmetallen)
- Schleifen von cobalthaltigen Legierungen
- Galvanik (Verwendung cobalthaltiger Salze)
- Futtermittelherstellung
Nickel oder seine Verbindungen
- Elektrolytische Abscheidung von Nickel unter Verwendung unlöslicher Anoden
- Herstellen oder Verarbeiten von Nickel oder seinen Verbindungen in Pulverform
- Herstellen nickelhaltiger Akkumulatoren
- Flammspritzen mit Nickelpulver (sofern nicht im geschlossenen System durchgeführt)
- Schleifen, Bürsten und Polieren von Nickel und von Legierungen mit einem Massengehalt von ≥ 5% Nickel
- Galvanik (manuell bediente offene Nickelbäder mit einer Temperatur von > 65 °C)
Aluminium-, aluminiumoxid- oder aluminiumhydroxid-haltige Stäube oder Rauche
- Schweißen, Schleifen, Bürsten und Polieren von Aluminium
- Elektrolyse von Aluminium
Quarz- oder asbesthaltiger Staub oder Hartmetallstaub
- Quarzfeinstaub:
Zur Ermittlung und Beurteilung einer Quarzstaubexposition: Quarzfeinstaub im Baugewerbe und der Bauindustrie - WKO.at - Asbest:
Sanierung von Gebäuden, die asbesthaltige Materialien enthalten und bei denen die Beschäftigten Asbestkonzentrationen von mehr als 15.000 Fasern/m³ ausgesetzt sind.
Weitere Informationen im Merkblatt M.plus 267 Richtiger Umgang mit Asbest - Hartmetallstaub:
Schleifen von Werkzeugen aus Hartmetall bzw. von hartmetallbestückten Werkzeugen (z.B. Sägeblätter in der Holzindustrie)
Schweißrauch
Ob eine Untersuchungspflicht bei der Einwirkung von Schweißrauch beim Schweißen und Schneiden (Brennschneiden, Plasmaschneiden, Laserschneiden) niedrig legierter Stähle besteht, hängt von der Dauer und Höhe der Schweißraucheinwirkung ab.
Hinweis: Es ist danach zu trachten, die Schweißrauchexposition so gering wie möglich zu halten (Schweißrauch ist nach dem IARC (International Agency for Research on Cancer) als krebserzeugend eingestuft.
Thermische Spritzverfahren sollten in geschlossenen Systemen erfolgen. Eine Untersuchungspflichtig ist bei Verwendung geschlossener Systeme nicht gegeben.
Fluor oder seine anorganischen Verbindungen
- Oberflächenbehandlung von Metallen (z. B. Sprühbeizen)
- Um- und Abfüllen von Fluorwasserstoff, Flusssäure oder anderen fluorhaltigen Säuren und anderen löslichen Fluoriden
- Milchglasherstellung
Rohparaffin, Teer, Teeröle, Anthracen, Pech oder Ruß mit hohem Anteil an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen
- Bestimmte Tätigkeiten in Kokereien
- Tätigkeiten mit und auf geteerten Masten, bei denen der Schutz der Haut nicht vollständig gewährleistet werden kann
Achtung: Bei Verwendung von Pech, Hochtemperatursteinkohlenteer und Anthracenöl ist zu prüfen, ob eine Zulassung gemäß REACH erforderlich ist.
Benzol
- Filter- und Katalysatorenwechsel beim Herstellen von Benzol
- Reinigungs-, Wartungs-, Sanierungs- und Abbrucharbeiten von Anlagen, in denen Benzol verwendet wird
- Bestimmte Tätigkeiten in Kokereien
Toluol
- Reinigungs-, Wartungs-, Sanierungs- und Abbrucharbeiten von Anlagen, in denen Toluol verwendet wird
- Toluol als Lösungsmittel (sofern Toluol nicht substituiert werden konnte)
Xylole
- Reinigungs-, Wartungs-, Sanierungs- und Abbrucharbeiten von Anlagen, in denen Xylol verwendet wird
- Korrosionsschutzarbeiten mit xylolhaltigen Arbeitsstoffen
Trichlormethan (Chloroform), Trichlorethen (Trichlorethylen), Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff), Tetrachlorethan, Tretrachlorethen (Perchlorethylen) oder Chlorbenzol
Chlorierte Kohlenwasserstoffe müssen, sofern sie noch im Einsatz sind, in der Regel so verwendet werden, dass eine Exposition der Beschäftigten und der Umwelt weitgehend vermieden wird.
Achtung: Für Verwendungen von Trichlorethylen ist zu prüfen, ob eine Zulassung gemäß REACH erforderlich ist.
Kohlenstoffdisulfid (Schwefelkohlenstoff)
- Faserproduktion (z. B. Viskosefaserproduktion)
- Reinigungs-, Wartungs-, Sanierungs- und Abbrucharbeiten von Anlagen, in denen Kohlenstoffdisulfid verwendet wird
Dimethylformamid (DMF)
- Faserproduktion (z. B. Feuerfestfasern)
- Reinigungs-, Wartungs-, Sanierungs- und Abbrucharbeiten von Anlagen, in denen DMF verwendet wird
Ethylenglykoldinitrat (Nitroglykol) oder Glyzerintrinitrat (Nitroglyzerin)
Eine untersuchungspflichtige Exposition sollte aufgrund von Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten (z.B. Vermeidung von Hautkontakt, kein Betreten von Bereichen solange Sprengschwaden in der Luft sind) nicht mehr bestehen.
Aromatische Nitro- oder Aminoverbindungen
Aromatische Nitro- und Aminoverbindungen sollten derzeit ausschließlich im geschlossenen System verwendet werden.
Gemäß Anlage 8 der REACH-VO gibt es für Azofarbstoffe und aromatische Aminoverbindungen eine Beschränkung.
Achtung: Für Verwendungen von 4,4-Diaminodiphenylmethan (MDA; CAS: 101-77-9) und 4-4-Methylenbis(2-chloranilin) (MOCA, CAS: 101-14-4) ist zu prüfen, ob eine Zulassung gemäß REACH erforderlich ist.
Phosphorsäureester
Keine untersuchungspflichtigen Expositionen mehr bekannt.
Rohbaumwoll-, Rohhanf- oder Rohflachsstaub
- Bestimmte Tätigkeiten in der Produktion von Textilien oder Dämmmaterialien
Isocyanate
- Bestimmte Tätigkeiten bei der Herstellung von Polyurethanen (PUR, PU)
- Herstellung von PUR-Schäumen mit TDI, HDI
- Verwendung von MDI unter erhöhter Temperatur (> 40 °C)
- Verwendung von isocyanathaltigen Bindersystemen in Gießereien (z.B. Cold-Box-Kerne)
- Spritzlackieren bzw. Auftragen von Beschichtungen durch Spritzverfahren
Hinweis: Die AUVA hat über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren in einer großen Zahl von Spritzlackierkabinen die Isocyanatkonzentrationen im Atembereich der Beschäftigten gemessen. Die Ergebnisse zeigten Konzentrationen im Nahbereich oder sogar unterhalb der analytischen Bestimmungsgrenze. Bei diesen Messungen in Lackierkabinen wurde im Atembereich auch das in 2K-Lacken zumeist enthaltene Lösungsmittel Xylol gemessen. Bei diesen Messungen zeigte sich, dass die Xylol-Konzentration in der Atemluft in der Regel bei 5 bis 10 % des MAK-Wertes, stets jedenfalls weit unter der Hälfte des MAK-Wertes, lag. Siehe Merkblatt M.plus 361 Sicherer Umgang mit isocyanathältigen Arbeitsstoffen.
Letzte Änderung am: 29.08.2024