Praxisbeispiele zur Bestellung und Ausbildung von Ersthelferinnen und Ersthelfern

1. Erforderliche Anzahl und Ausbildung von Ersthelferinnen und Ersthelfern 

A) Die Rechtsanwaltskanzlei X-GmbH beschäftigt 29 Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen.  Wie viele Ersthelfer/Ersthelferinnen sind in der Kanzlei erforderlich und ist ein 16- oder lediglich ein 8-stündiger Erste-hilfe-Kurs zu absolvieren? Die Kanzlei beabsichtigt eine/n neue/n juristische/n Mitarbeiter/Mitarbeiterin einzustellen. Wird dies Auswirkungen auf die Anzahl der Ersthelferinnen und Ersthelfer haben?


B) Angenommen, es handelt sich bei der X-GmbH nicht um keine Kanzlei, sondern um eine Holzverarbeitung in der 29 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schwere körperliche Arbeiten ausführen. Wie viele Ersthelfer/Ersthelferinnen sind erforderlich? Die Wirtschaftslage der Fabrik verschlechtert sich derart, dass 10 Arbeitnehmer/Arbeitneherinnen das Unternehmen verlassen müssen. Wie viele Ersthelfer und Ersthelferinnen werden in dem Fall in Fabrik benötigt?


A) In Büros (wie z.B. Kanzleien) oder in Arbeitsstätten in denen die Unfallgefahr mit Büros vergleichbar ist, sind: 

  • bei bis zu 29 regelmäßig gleichzeitig beschäftigten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen eine Person,
  •  bei 30 bis 49 regelmäßig gleichzeitig beschäftigten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen zwei Personen
  •  und bei je 20 weiteren regelmäßig gleichzeitig beschäftigten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen eine zusätzliche Person als Ersthelfer/Ersthelferinnen zu bestellen. Die Kanzlei benötigt daher eine Ersthelferin und einen Ersthelfer.

Ab der Anstellung des neuen Mitarbeiter und der neun Mitarbeiterin (30 Mitarbeiter) hat sie eine zusätzliche Person als Ersthelfer/Ersthelferin zu bestellen und somit über insgesamt zwei Ersthelfer/Ersthelferinnen zu verfügen.

In Arbeitsstätten mit mindestens fünf regelmäßig gleichzeitig beschäftigten Arbeitnehmer/Arbeitnehnerinnen muss sich bei der Erste-Hilfe- Ausbildung um eine mindestens 16-stündige-Ausbildung nach den vom Österreichischen Roten Kreuz ausgearbeiteten Lehrplänen, oder eine andere, zumindest gleichwertige Ausbildung handeln. In Arbeitsstätten mit weniger als fünf regelmäßig gleichzeitig beschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ist eine 8-stündige Erste-Hilfe-Ausbildung ausreichend. Im vorliegenden Fall ist daher ein 16-stündiger Erste-Hilfe-Kurs zu absolvieren.

B) Handelt es sich nicht um ein Büro oder um Arbeitsstätten in denen die Unfallgefahr mit Büros vergleichbar ist, sind bei 

  • bei 19 bis 20 regelmäßig gleichzeitig beschäftigten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen eine Person
  • 20 bis 29 regelmäßig gleichzeitig beschäftigten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen zwei Personen
  • und bei je 10 weiteren regelmäßig gleichzeitig beschäftigten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen eine zusätzliche Person als Ersthelfer/Ersthelferinnen zu bestellen. Bei 29 Mitarbeiter/ Mitarbeiterinnen benötigt daher das Lagerhaus zwei und bei 10 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einen/eine Ersthelfer/Ersthelferin.

Rechtliche Grundlagen: § 40 Abs. 1 und Abs. 2 AStV

2. Qualifikationen von Erste-Hilfe-Ausbildnern

I.) Wer kann die Ausbildung der Ersthelfer durchführen? Welche Rechtsgrundlage gibt es dafür?

Die Frage, welche Einrichtungen oder Personen die Erste-Hilfe Ausbildung nach dem ASchG durchführen dürfen, ist weder durch Gesetz noch durch Verordnung im Arbeitnehmerschutzrecht explizit festgelegt.  

Für die 16-Stunden-Kurse ist geregelt, dass sie nach den Lehrplänen des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK) durchzuführen sind oder es sich um eine andere, mindestens gleichwertige Ausbildung handeln muss. Nach Ansicht des Zentral-Arbeitsinspektorates ist daraus abzuleiten, dass die 16-stündige Erst-Helfer-Ausbildung (nur) von solchen Personen durchgeführt werden darf, deren Qualifikation jener, die das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) für Lehrbeauftragte und Lehrsanitäterinnen und Lehrsanitäter festgelegt hat, zumindest gleichwertig ist. Nicht erforderlich ist, dass der Kurs von Organisationen (z.B. Rettungsorganisationen) oder Ärzten/Ärztinnen angeboten wird. 

Für die Auffrischungskurse (8 bzw. 4 Stunden) ist explizit geregelt, dass sie auch durch Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner durchgeführt werden dürfen. Daraus kann unserer Ansicht nach abgeleitet werden, dass für die Auffrischungskurse betreffend die Voraussetzungen der Ausbildnerinnen und Ausbildner das Gleiche gilt wie für die 16-Stunden-Kurse. Die Ausbildung zum Sanitäter nach dem Sanitätergesetz enthält grundsätzlich keine derartige Qualifizierung, jedoch ist eine Weiterbildung zum Lehrbeauftragten bzw. Lehrsanitäter/Lehrsanitäterin möglich.

Gemäß Auskunft des Gesundheitsministeriums ist Folgendes zu beachten: 

  • Die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Bereich der Ersten Hilfe an Laien zur Selbstanwendung fällt grundsätzlich nicht unter die Ausübung eines Gesundheitsberufs, insbesondere jene des/der Arztes/Ärztin bzw. des/der Sanitäters/Sanitäterin und damit nicht unter deren Tätigkeitsvorbehalt, sondern unterliegt der Lehr- und Lernfreiheit.
  • Die Abhaltung von Erste-Hilfe-Kursen an Laien verstößt auch nicht gegen das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, BGBl. Nr. 378/1996, idgF, da es sich nicht um die Ausbildung zu Tätigkeiten in einem gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf handelt.
  • Im Zusammenhang mit der Abhaltung von Erste-Hilfe-Kursen sind allerdings vertrags- und haftungsrechtliche Implikationen zu beachten. Dies bedeutet beispielsweise, dass einerseits die Teilnehmer/Teilnehmerinnen des Kurses über die Qualifikation des/der Vortragenden zu informieren sind und andererseits, dass diese/r für die im Rahmen des Kurses vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten haftet. Dabei ist auch auf den erhöhten Sorgfaltsmaßstab für sachverständige Personen gemäß § 1299 ABGB hinzuweisen. Weiters wäre klarzustellen, dass der Erste-Hilfe-Kurs zu keiner professionellen Tätigkeit ausbildet.

Für nähere Informationen dazu wird eine Kontaktaufnahme mit dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK, VI/A/2, Allgemeine Gesundheitsrechtsangelegenheiten und Gesundheitsberufe) sowie mit dem Bildungszentrum des ÖRK (in Hinblick auf die gleichwertige Ausbildung) empfohlen.

Rechtliche Grundlagen: § 40 Abs. 2 Z 1, § 40 Abs. 3 AStV

II.) Max Mustermann bildet im Auftrag von Berufsgenossenschaften Ersthelfer/Ersthelferinnen in Betrieben in Deutschland aus. Ein Kunde von Ihm hat eine Niederlassung in Österreich und bittet ihn, seine Ersthelfer/Ersthelferinnen in Österreich auszubilden. Darf Max Mustermann das und wird die Ausbildung in Österreich anerkannt.

Die Frage, welche Einrichtungen oder Personen die Erste- Hilfe Ausbildung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) durchführen dürfen, ist weder durch Gesetz noch durch Verordnung im Arbeitnehmerschutzrecht explizit festgelegt. Eine arbeitnehmerschutzrechtliche Genehmigung zur Durchführung von Kursen ist auch nicht erforderlich.

Für die 16 Stunden Kurse ist in der Arbeitsstättenverordnung (AStV) geregelt, dass sie nach den Lernplänen des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK) durchzuführen sind oder es sich um eine andere, mindestens gleichwertige Ausbildung handeln muss. Daraus ist abzuleiten, dass die 16- stündige Erst- Helfer- Ausbildung (nur) von solchen Personen durchgeführt werden darf, deren Qualifikation jener, die das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) für Lehrbeauftragte und Lehrsanitär festgelegt hat, zumindest gleichwertig ist. Nicht erforderlich ist, dass der Kurs von Organisationen (z.B. Rettungsorganisationen) oder Ärzt/Ärztinnen angeboten wird
Diesbezüglich wird eine Kontaktaufnahme mit ÖRK empfohlen.

Rechtliche Grundlagen: § 40 Abs. 1 AStV

3. Berufsausbildungen mit zumindest gleichwertiger Erste-Hilfe-Ausbildung: Auffrischungskurse für Absolventen ohne praktische Berufserfahrung oder aktuelle Praxis

I.) Frau Dr. Müller plant, in ihrer Arbeitsstätte, in der acht weitere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt sind, als betriebliche Ersthelferin tätig zu werden. Obwohl sie seit bereits 10 Jahren ein abgeschlossenes Medizinstudium hat, hat sie nicht als Ärztin praktiziert. 

A) Ist Frau Dr. Müller verpflichtet einen 16-stündigen Erste-Hilfe-Kurs zu absolvieren?

B) Muss Frau Dr. Müller Erste-Hilfe-Auffrischungskurse absolvieren? Angenommen ihr letzter 8-Stunden-Auffrischungskurs fand im Mai 2021 statt. Wann und in welchem Umfang muss sie nun einen erneuten Auffrischungskurs absolvieren?

A) In Arbeitsstätten mit mindestens fünf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat die Erste-Hilfe-Ausbildung einen mindestens 16-stündigen Erste-Hilfe-Kurs zu umfassen. In Arbeitsstätten mit ein bis vier Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umfasst die Erste-Hilfe-Ausbildung einen mindestens 8-stündigen Erste-Hilfe-Kurs. 
Folgende Berufsausbildungen beinhalten jedenfalls eine "zumindest gleichwertige" 16-stündige Erste-Hilfe-

Ausbildung: 

  • Ärztinnen und Ärzte (Allgemeinmedizin, alle Fachärztinnen und Fachärzte)
  • Hebammen
  • Gehobene Dienste für Gesundheits- und Krankenpflege sowie Pflegehilfe 
  • Sanitäterinnen und Sanitäter

Absolventinnen und Absolventen dieser Ausbildungen benötigen daher keinen gesonderten Nachweis einer 16-stündigen Erste-Hilfe-Ausbildung bzw. einer 8-stündigen Erste-Hilfe-Ausbildung nach den Lehrplänen des Roten Kreuzes. Frau Dr. Müller ist daher nicht zur Absolvierung der 16-stündigen Erste-Hilfe-Ausbildung verpflichtet.

B) Bei Ärztinnen und Ärzten ist aufgrund der ihnen nach dem Ärztegesetz obliegenden Verpflichtung, sich laufend im Rahmen anerkannter Fortbildungsprogramme der Ärztekammern in den Bundesländern oder der Österreichischen Ärztekammer oder im Rahmen anerkannter ausländischer Fortbildungsprogramme fortzubilden, davon auszugehen, dass sie stets auch über aktuelle Entwicklungen in der Ersten-Hilfe-Leistung Bescheid wissen. Da Frau Dr. Müller jedoch nicht den ärztlichen Beruf ausübt und somit auch nicht laufend Fortbildungen in Anspruch nimmt, muss sie Auffrischungskurse im Ausmaß von acht Stunden alle vier Jahre (bzw. vier Stunden alle zwei Jahre) absolvieren. Da ihr letzter Kurs bereits vier Jahre zurückliegt, hat ihr nächster achtstündiger Auffrischungskurs im Jahr 2025 stattzufinden.

Rechtliche Grundlagen: § 40 Abs. 2 Z 1 und Z 2, § 40 Abs. 3 AStV; § 49 Ärztegesetz

II.) Die Firma Mustermann GmbH beabsichtigt Ihren Mitarbeiter Max Mustermann, der eine Ausbildung zum Rettungssanitäter absolviert hat und als Sanitäter tätig ist, als Ersthelfer einsetzten.

A.) Angenommen dieser hat keine 16- stündige Erste- Hilfe- Ausbildung abgeschlossen und der Betrieb hat 10 Mitarbeiter, kann er trotzdem gleich als Ersthelfer bestellt werden? 

Sind in einer Arbeitsstätte mindestens fünf Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen regelmäßig beschäftigt, so hat der/die Ersthelfer/Ersthelferin eine Ausbildung im Ausmaß von mindestens 16 Stunden zu absolvieren. Bei der Ausbildung hat es sich dabei um eine nach den vom Österreichischen Roten Kreuz ausgearbeiteten Lehrplänen zu handeln oder um eine andere, zumindest gleichwertige Ausbildung.

Die Berufsausbildung der Sanitäterinnen/Sanitäter nach dem Sanitätergesetz (SanG) stellt eine „gleichwertige Ausbildung“ dar, ein gesonderter Nachweis einer 16- stündigen Erste-Hilfe-Ausbildung ist nicht erforderlich. Der Mitarbeiter Max Mustermann kann daher gleich zum Ersthelfer bestellt werden.

Ersthelfer/innen haben in Abständen von höchstens vier Jahren eine mindestens achtsündige Erste- Hilfe- Auffrischung zu absolviert. Da Sanitäter/Sanitäterinnen einer regelmäßigen Fortbildungsverpflichtung nach dem Sanitätergesetz unterliegen – wonach sie innerhalb von 2 Jahren eine 16 Stunden verpflichtende Fortbildung zu besuchen haben- ist somit auch die in der AStV geforderte Auffrischung erfüllt und es sind nicht zusätzlich Auffrischungskurse zu absolvieren.

B.) Angenommen Max Mustermann hat vor ca. 8 Jahren die Rettungssanitäterausbildung abgeschlossen und war auch als Sanitäter tätig, er übt diese Tätigkeit jedoch nicht mehr aus. Muss er eine 16-stündige Erste-Hilfe-Ausbildung bzw. Auffrischungskurse machen?

Da Max Mustermann die Ausbildung als Rettungssanitäter absolviert hat, ist diese, schon allein wegen des Umfangs, als gleichwertige Ausbildung im Ausmaß von 16-Stunden anzusehen. Wie oben dargelegt, stellt die Berufsausbildung der Sanitäterinnen und Sanitäter nach dem Sanitätergesetz (SanG) eine „gleichwertige Ausbildung“ dar, ein gesonderter Nachweis einer 16- stündigen Erste- Hilfe- Ausbildung ist nicht erforderlich. Da er jedoch nicht mehr den Beruf als Sanitäter ausübt und somit auch nicht laufend Fortbildungen in Anspruch nimmt, sind Auffrischungskurse im Ausmaß von acht Stunden alle vier Jahre (bzw. vier Stunden alle zwei Jahre) zu absolvieren.

Rechtliche Grundlagen: § 40 Abs. 2 und Abs. 3 AStV, § 50 Sanitätergesetz (SanG)

4. Bestellung von Jugendlichen als Ersthelferinnen und Ersthelfer

Max, der 16 Jahre alt ist und bereits in einer KFZ-Werkstätte arbeitet, möchte eine entsprechende Erste- Hilfe-Ausbildung machen. Ab welchem Alter darf man als Ersthelfer bzw. als Ersthelferin bestellt werden?

Im ASchG und der AStV ist nicht geregelt, ab welchem Alter die Funktion als Ersthelferin/Ersthelfer übernommen werden kann. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben aber bei der Übertragung von Aufgaben an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deren persönliche Eignung (das muss bei Jugendlichen nicht unbedingt vorliegen) zu berücksichtigen. Dabei sind z.B. Körperkräfte, Qualifikation und auch das Alter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind Arbeiten für Jugendliche verboten, die ihre psychische und physische Leistungsfähigkeit übersteigen. Der Grund liegt darin, dass bei Jugendlichen psychische Belastungen infolge Mangels an Erfahrung und des fehlenden Bewusstseins für tatsächliche und potentielle Gefahren besonders schnell auftreten können (Situationen, in denen sie sich auf Grund der Gegebenheit plötzlich der Gefahr bewusstwerden). Dies kann auf die Situation als Ersthelferin/Ersthelfer im Notfall ebenfalls zutreffen: hier ist es erforderlich rasche Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu kommunizieren, die Tätigkeit ist mit viel Verantwortung verbunden. Insofern bestehen starke Bedenken gegen eine Bestellung von Jugendlichen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, als Ersthelferinnen/Ersthelfer.

Rechtliche Grundlagen: § 6 Abs. 1 ASchG, § 5 KJBG-VO 

5. Erste-Hilfe-Ausbildungspflicht bei Beschäftigung von nur 1 Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer

Das Blumengeschäft ABC hat insgesamt 3 Filialen, wovon in jeweils 2 Filialen nur ein Mitarbeiter tätig ist. Ist es erforderlich, dass die beiden einzigen Mitarbeiter, die in diesen 2 Filialen arbeiten, eine Erste-Hilfe-Ausbildung absolvieren müssen?

Bei den Filialen handelt es sich um Arbeitsstätten des Blumengeschäfts. Die Verpflichtung, ausgebildete Ersthelferinnen/Ersthelfer zu bestellen, gilt auch, wenn in einer Arbeitsstätte nur 1 Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer beschäftigt wird. "Beschäftigt" - ist hier aber im Sinne von "angestellt" gemeint, nicht im Sinne von "gleichzeitig anwesend". Auch wenn nur eine Arbeitnehmerin/ein Arbeitnehmer angestellt ist, muss diese/dieser die Erste Hilfe Ausbildung haben. Diese Regelung ist deshalb sinnvoll, da die meisten Arbeitsunfälle (und die damit verbundene Erste- Hilfe- Leistung) nicht gleich Bewusstlosigkeit zur Folge haben, sondern Verletzungen, wie offene Wunden, Verbrennungen, Verätzungen, Quetschungen, Brüche, Zerrungen etc. In diesen Fällen kann das Wissen um die richtige Erstversorgung sehr wohl auch einem allein Beschäftigten zugutekommen. Es ist in diesem Fall dann nur ein Erste-Hilfe- Kurs im Ausmaß von acht Stunden zu absolvieren. Wenn mehrere Arbeitnehmerinnen angestellt sind, die abwechselnd Dienst machen, muss nur eine/r davon die Erste Hilfe Ausbildung haben. 

Rechtliche Grundlagen: § 40 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 AStV

6. Vorgeschriebene Intervalle für Erste-Hilfe-Auffrischungskurse

I.) Frau Müller ist als betriebliche Ersthelferin im Unternehmen ABC tätig. Im Jahr 2022 hat sie eine 4-stündige Auffrischung für Erste Hilfe absolviert. Die nächste Auffrischung im Umfang von 4 Stunden wäre 2024 fällig. Ist es zulässig, dass sie stattdessen im Jahr 2026 eine 8-stündige Auffrischung macht?


Ersthelferinnen und Ersthelfer haben alle vier Jahre im Ausmaß von acht Stunden Auffrischungskurse zu absolvieren. Das Ausmaß von acht Stunden kann alternativ auch geteilt werden, sodass Auffrischungskurse im Ausmaß von vier Stunden alle zwei Jahre zu absolvieren sind. Die AStV sieht keine Mischform vor, ist die Variante vier Stunden alle zwei Jahre gewählt worden, so ist dies auch bis zum Ausmaß der acht Stunden durchzuführen. Danach kann wieder auf die Variante alle vier Jahre im Ausmaß von acht Stunden gewechselt werden. Das bedeutet im konkreten Fall, dass die vier Stunden im Jahr 2024 zu absolvieren sind. Danach kann Frau Müller wieder auf die andere Variante (alle vier Jahre acht Stunden) wechseln, sodass der nächste achtstündige Auffrischungskurs im Jahr 2028 zu absolvieren ist. 

Rechtliche Grundlagen:  § 40 Abs. 3 AStV

II.) Im Unternehmen „ABC GmbH“ sind mehrere Ersthelfer bestellt, welche gleichzeitig Mitglieder bei freiwilligen Feuerwehren (FF) sind. Alle betroffenen Mitarbeiter haben eine Ersthelferausbildung über den Landesfeuerwehrverband Steiermark nachweislich absolviert. Diese Ausbildung wird auch als Erstehelferausbildung anerkannt (Umfang mindestens 16 Stunden). Die Mitglieder der FF absolvieren allerdings Auffrischungskurse im Umfang von 2 Stunden jedes Jahr. Kann die bei den freiwilligen Feuerwehren übliche Auffrischung von 2 Stunden pro Jahr ebenfalls als Auffrischungskurs für Arbeitsstätten anerkannt werden?

Da der Wortlaut der AStV klar und eindeutig ist, ist es nicht zulässig, sie dahingehend zu interpretieren, dass auch andere Varianten möglich sind. D.h. Auffrischungskurse im Umfang von 2 Stunden jedes Jahr entsprechen nicht der AStV

Es besteht aber grundsätzlich die Möglichkeit für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, von den Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung (AStV) eine bescheidmäßige Ausnahmegenehmigung nach dem ASchG bei der Bezirksverwaltungsbehörde zu beantragen, sofern durch eine andere von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber vorgesehene Maßnahme zumindest der gleiche Schutz erreicht wird wie bei Einhaltung der betreffenden Bestimmungen der AStV.

Rechtliche Grundlagen: § 40 Abs. 3 AStV, § 95 Abs. 3 ASchG

III.) Der Ersthelfer/Die Ersthelferin in einem Betrieb wo 9 Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer angestellt sind, hat im September 2013 einen 16-stündigen Erste- Hilfe- Kurs absolviert. Bis wann ist der Auffrischungskurs durchzuführen?

Ersthelferinnen/Ersthelfer haben in Abständen von höchstens vier Jahren einen mindestens 8-stündigen Auffrischungskurs gemäß § 40 Abs. 3 der Arbeitsstättenverordnung (AStV) zu absolvieren. Der Abstand von höchstens vier Jahren beginnt mit dem zuletzt absolvierten EH- Kurs (also im Konkreten Fall ist der Ausgangszeitpunkt September 2013). Somit ist der nächste Auffrischungskurs zeitnah um den September 2017 zu absolvieren.

7. Bestellung von Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern als Ersthelferinnen und Ersthelfer

Max Gruber ist als Geschäftsführer in einem Betrieb tätig. Darf er als Ersthelfer bestellt werden?

Ja, die Funktion des Ersthelfers/der Ersthelferin im Betrieb kann sowohl von Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen als auch von Seiten des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin, also auch von einem Geschäftsführer, wahrgenommen werden.

Die Bestellung von Ersthelfer/Ersthelferinnen erfüllt den Zweck, dass Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen bei Verletzungen oder plötzlichen Erkrankungen in der Arbeitsstätte sofort Erste Hilfe geleistet werden muss, auch wenn nicht vorgesehen ist, dass Ersthelfer/Ersthelferinnen ständig anwesend sein müssen. Es ist jedoch darauf zu achten, dass der Geschäftsführer seine Funktion entsprechend wahrnehmen kann. 

Rechtliche Grundlagen: § 40 Abs. 4 AStV

8. Bestellung von geringfügig bzw. in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als Ersthelferinnen und Ersthelfer

Der Arbeitgeber Max Müller beabsichtigt seinen Arbeitnehmer Klaus Zimmermann, der letztes Jahr eine 16-stündige Erste-Hilfe-Ausbildung absolviert hat und geringfügig angestellt ist, als Ersthelfer zu bestellen. Ist das zulässig?

Auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Teilzeit beschäftigt sind, können die Funktion des Ersthelfers/der Ersthelferin ausüben. Voraussetzung ist in allen Fällen, dass die entsprechende Ausbildung zum Ersthelfer/zur Ersthelferin absolviert wurde:

  • mindestens 16-stündige Ausbildung bei mindestens fünf regelmäßig gleichzeitig beschäftigten AN
  •  mindestens 8-stündige Ausbildung bei weniger als fünf regelmäßig gleichzeitig beschäftigten AN. 

Daher kann grundsätzlich auch ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin, der/die nur geringfügig beschäftigt ist, zum Ersthelfer/zur Ersthelferin bestellt werden.

Es ist jedoch zu bedenken, ob es für die Ausübung der Funktion als Ersthelfer/Ersthelferin nicht sinnvoller ist, eine Person im Betrieb zu bestellen, deren Beschäftigungsausmaß höher ist als das einer geringfügig beschäftigten Person. Die Bestellung von Ersthelferinnen/Ersthelfer erfüllt ja den Zweck, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Verletzungen oder plötzlichen Erkrankungen in der Arbeitsstätte sofort Erste Hilfe geleistet werden kann, auch wenn nicht vorgesehen ist, dass Ersthelferinnen/Ersthelfer ständig anwesend sein müssen.

9. Berücksichtigung von Außendienstmitarbeiterinnen/Außendienstmitarbeitern auf auswärtigen Arbeitsstellen bei der Bestellung von Ersthelferinnen und Ersthelfern

Das Elektrounternehmen X- AG beschäftigt eine Vielzahl von Kundendiensttechnikern, die oft alleine oder zu zweit bei Kunden vor Ort (Wohnungen, Büros) kleinere Reparaturen durchführen und Störungen beheben. 

A).  Sind die Kundendiensttechniker, die ihre Arbeit in der Regel in Wohnungen und Büros von Kunden ausführen, bei der Berechnung der für die Bestellung von Ersthelfer/Ersthelferinnen relevanten Beschäftigtenanzahl der X-AG zu berücksichtigen? Muss bereits ein einzelner Kundendiensttechniker der bei Kunden vor Ort bzw. bei partieweisem Einsatz zumindest einer der zwei Mitarbeiter ein Ersthelfer sein? 

B). Ändert sich die Rechtslage, wenn die Kundendiensttechniker nicht in Wohnungen bzw. Büros von Kunden, sondern auf Baustellen einzeln oder zu zweit ihre Arbeit ausführen?

A). Die Kundentechniker sind im konkreten Fall als Außendienstmitarbeiter anzusehen, weil sie ihre Arbeiten auf auswärtigen Arbeitsstellen (in Büros bzw. Wohnungen von Kunden) ausführen und nicht in der Arbeitsstätte selbst (X-AG). Für Außendienstmitarbeiter/Außendienstmitarbeiterinnen, die auf auswärtigen Arbeitsstellen tätig sind, gibt es keine spezielle Regelung im ArbeitnehmerInnenschutzrecht, sondern es gilt die allgemeine Regelung des ASchG. Sie sind daher grundsätzlich der Beschäftigtenzahl jener Arbeitsstätte zuzurechnen, der sie organisatorisch zugehören. Im gegenständlichen Fall sind also die Kundentechniker der Beschäftigtenzahl der X-AG zuzurechnen. Aus dieser Gesamt- Beschäftigtenzahl ergibt sich dann die Anzahl der insgesamt notwendigen Ersthelfer/Ersthelferinnen (EH) für die Arbeitsstätte einschließlich der ihr zugehörigen Außendienstmitarbeiter/Außendienstmitarbeiterinnen. Je nachdem, wie viele EH dann insgesamt bestellt werden müssen, sollen nach Möglichkeit die einzelnen Parteien durch organisatorische Maßnahmen (v.a. Arbeitseinteilung) so zusammengestellt werden, dass die ausgebildeten EH möglichst gut verteilt sind. Es ist aber für auswärtigen Arbeitsstellen nicht zwingend vorgesehen, dass jede Partei eine/n EH dabei hat oder dass jede/r allein tätige Außendienstmitarbeiter/Außendienstmitarbeiterin selbst als EH ausgebildet ist.  

B) Anders ist die Rechtslage bei Außendienstmitarbeiter die auf Baustellen tätig sind. Für Beschäftigte auf Baustellen gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (diese gilt also auch für AN, die nicht unmittelbar mit Bauarbeiten im engeren Sinn beschäftigt sind). Wenn ein Arbeitgeber (AG) auf einer Baustelle 1-19 Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen (AN) beschäftigt, muss er 1 ausgebildete/ausgebildeten Erst- Helferin/Erst-Helfer bestellen. Wenn der AG nur 1 AN auf der Baustelle beschäftigt, müsste dieser eine AN zumindest eine 8- stündige Erst-Helfer-Ausbildung haben. 

Rechtliche Grundlagen: § 26 Abs. 3 ASchG, § 40 Abs. 1 AStV; § 31 Abs. 5 BauV

10. Berücksichtigung von geringfügig Beschäftigten bei der Bestellung von Ersthelferinnen und Ersthelfern

Die Rechtsanwaltskanzlei „ABC GmbH“ hat aktuell 29 Mitarbeiter und eine Person als Ersthelferin bestellt, beabsichtigt aber in nächster Zeit zwei neue Studenten in geringfügiger Beschäftigung anzustellen. Wie werden geringfügig Beschäftigte bei der Ermittlung der für die Bestellung von Ersthelferinnen und Ersthelfer relevanten Arbeitnehmerzahl gerechnet? Hat die Anstellung von zwei neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im konkreten Fall Auswirkung auf die Anzahl der Ersthelferinnen und Ersthelfer n in der Kanzlei? 

Ja. Geringfügig Beschäftigte werden bei der Ermittlung der für die Bestellung von  Ersthelferinnen und Ersthelfer relevanten Arbeitnehmerzahl wie Vollbeschäftigte gerechnet- die formale Anzahl der Beschäftigten ist auschlaggebend. 

In Büros (wie z.B. Kanzleien) oder in Arbeitsstätten, in denen die Unfallgefahr mit Büros vergleichbar ist, sind 

  • bei bis zu 29 regelmäßig gleichzeitig beschäftigten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen eine Person,
  •  bei 30 bis 49 regelmäßig gleichzeitig beschäftigten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen zwei Personen
  •  und bei je 20 weiteren regelmäßig gleichzeitig beschäftigten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen eine zusätzliche Person als Ersthelferinnen/Ersthelfer zu bestellen.

In unserem Fall hat die Kanzlei dementsprechend ab der Anstellung der zwei neuen Beschäftigten eine zusätzliche Person als Ersthelferinnen/Ersthelfer zu bestellen und somit über insgesamt zwei Ersthelferinnen/Ersthelfer zu verfügen.

Rechtliche Grundlagen: § 40 Abs. 1 Z 2 AStV

11. Bestellung von betriebsfremden Personen als Ersthelferinnen und Ersthelfer

Ein Bereich des Unternehmens „ABC GmbH“ wurde als Tochterunternehmen ausgegliedert, sämtliche Mitarbeiter sind allerdings weiterhin an derselben Arbeitsstätte tätig. Ist es erforderlich für das neu gegründete Tochterunternehmen eigene Ersthelfer/Ersthelferinnen zu bestellen oder könnten die bereits vorhandenen Ersthelfer/Ersthelferinnen der Muttergesellschaft auch für die Mitarbeiter des Tochterunternehmens zuständig sein?

Normadressat der Arbeitsschutzbestimmungen, insbesondere der Bestellung von Ersthelferinnen und Ersthelfern, ist die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber. Das Tochterunternehmen ist neben dem Mutterunternehmen selbständig Arbeitgeberin und für die Einhaltung des Arbeitsschutzes verantwortlich. Somit hat auch das Tochterunternehmen selbst Ersthelferinnen und Ersthelfer zu bestellen. 

Im gegenständlichen Fall sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von zwei verschiedenen Arbeitgebern in einer Arbeitsstätte tätig. Grundsätzlich ist jeder/jede Arbeitgeber/Arbeitgeberin verpflichtet, die Bestellung von Ersthelferinnen und Ersthelfern für seinen eigenen Betrieb vorzunehmen. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass die beiden Unternehmen eine bestimmte Person bestellen, die für alle beiden Unternehmen die Erst-Helfer-Funktion übernimmt. Jedoch trifft jedes der zwei Unternehmen die Verpflichtung nach der AStV diese Person als Ersthelfer/Ersthelferin zu bestellen.

Nach dem Wortlaut des ASchG und der AStV muss es sich nämlich nicht um einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin der Arbeitsstätte handeln. Es könnte daher auch eine betriebsfremde Person die Funktion des Erst-Helfers/der Erst-Helferin übernehmen. Voraussetzung ist jedoch, dass sich die beiden Unternehmen auf eine bestimmte Person festgelegt haben und jedes der Unternehmen seiner Bestellverpflichtung nach der AStV nachgekommen ist. In diesem Fall hat klarerweise eine entsprechende Koordination und Organisation zu erfolgen: z.B. muss der/die Ersthelfer/Ersthelferin – auch als betriebsfremde Person – in der Lage sein im Notfall Erste-Hilfe-Maßnahmen zu ergreifen (z.B. Zugänglichkeit zu den Räumen).

Rechtliche Grundlagen: § 40 AStV, § 26 ASchG

Letzte Änderung am: 04.07.2024