Judikatur zur Arbeitsmittelverordnung
Diese Seite enthält Entscheidungen des OGH und des VwGH, mit denen Auslegung von Bestimmungen der Arbeitsmittelverordnung getroffen wurden.
§ 2 Abs. 8
Elektro-Deichselhubwagen - selbstfahrendes Arbeitsmittel, Erkenntnis des VwGH vom 30. März 2007
Wenn ein „Elektro-Deichselhubwagen“ (Flurförderzeug) nach der Beschreibung des Herstellers dazu bestimmt ist, unter Einsatz eines Elektromotors als Antrieb, nicht-schienengebundene Lasten auf Paletten über kurze Distanzen im Verkaufsbereich zu transportieren und sich aus dem technischen Datenblatt unter anderem ein Eigengewicht von 175 kg, eine Achslast mit Last vorn/hinten von 505/870 kg und eine Fahrgeschwindigkeit mit/ohne Last von 4,2/5,0 km/h ergibt, erfüllt dies die Tatbestandselemente der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 8 AM-VO (motorisch angetriebenes, nicht-schienengebundenes Fahrzeug zum Zweck der Durchführung von Arbeitsvorgängen). Darauf, ob das Arbeitsmittel mit einem "Zündschlüssel" in Betrieb zu nehmen ist, kommt es dabei nicht an.
Dass die Verwendung eines selbstfahrenden Arbeitsmittels mit den oben genannten Leer- bzw. Transportgewichten von bis zu mehreren hundert kg bei einem Tempo von 4,2 bis 5,0 km/h eine Gefahr für Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sinne des § 5 Abs. 1 AM-VO ausgeht, ist jedermann unmittelbar einsichtig und bedarf deshalb keiner näheren Erläuterung.
§ 6 Abs. 1
VwGH 2007/02/0165 vom 21.5.2008
Die § 6 Abs. 1 AM-VO und § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG richten sich als Gebot an die Arbeitgeberin/den Arbeitgeber, die Verwendung von nicht geprüften Arbeitsmitteln nicht zuzulassen. Solange ungeprüfte Arbeitsmittel im Betrieb verwendet werden, verletzt die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber seine Verpflichtung gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG hinsichtlich der Benutzung der Arbeitsmittel. Der Arbeitgeberin/Den Arbeitgeber trifft demnach zunächst die Verpflichtung, verwendete Arbeitsmittel prüfen zu lassen. Allein mit der Unterlassung der Prüfung ist dieser Tatbestand aber noch nicht erfüllt, weil hinzutreten muss, dass ungeprüfte Arbeitsmittel auch verwendet werden. Erst wenn die Arbeitsmittel der erforderlichen Überprüfung zugeführt werden, endet die strafbare Verwendung iSd § 6 AM-VO. Daraus folgt, dass dann keine Zustandsdelikte vorliegen, wenn nicht nur die Herbeiführung des rechtswidrigen Zustandes (Unterlassung der Prüfung verwendeter Arbeitsmittel), sondern auch dessen Aufrechterhaltung strafbar ist. Es handelt sich in diesem Fall vielmehr um Dauerdelikte, bei denen die Verjährungsfrist von dem Zeitpunkt an zu laufen beginnt, in dem das strafbare Verhalten aufgehört hat.
§ 2 und § 17 Abs. 1
VwGH Ra2015/02/43 vom 02.09.2015
Schon vor dem Hintergrund der gebotenen unionskonformen Auslegung ist es eindeutig, dass dem Begriff der "Benutzung" von Arbeitsmitteln, wie er in § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG verwendet wird, dasselbe Begriffsverständnis zugrunde liegt, wie es in § 2 AM-VO (sowie in § 33 Abs. 1 ASchG) - dort in Anlehnung an Art. 2 lit. b der Richtlinie 2009/104/EG - definiert wird ("alle ein Arbeitsmittel betreffende Tätigkeiten wie In- und Außerbetriebnahme, Gebrauch, Transport, Instandsetzung, Umbau, Instandhaltung, Wartung und Reinigung"). Ebenso wie nach der entsprechenden Richtlinienbestimmung ist diese Aufzählung zudem nicht abschließend, sondern demonstrativ ("alle ... Tätigkeiten wie ... "). Es unterliegt damit keinem Zweifel, dass (...) Einstell- und Störungsbeseitigungsarbeiten an der in Betrieb befindlichen Maschine als "Benutzung" des Arbeitsmittels im Sinne des § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG iVm § 17 Abs. 1 AM-VO zu beurteilen sind.
§ 19 Abs. 8
VwGH 2010/02/0161 vom 15.10.2013
Wenn in den Nachrichten – z.B. Ö3 - vor "heftigen" Unwettern gewarnt wird und dass mit dem Auftreten von sehr starken Windböen gerechnet werden muss, sind im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 8 AM-VO die Arbeiten mit einem Turmdrehkran bei Herannahen der bereits erkennbaren Unwetterfront rechtzeitig einzustellen. Unter diesen Umständen ist eine besonders sorgsame Beobachtung des Wetters geboten. Es kann daher auch keinesfalls die Rede davon sein, dass eine "unvorhersehbare Wettersituation" gegeben sei. Unwesentlich ist, ob eine Einstellung der Arbeiten angesichts des plötzlichen Auftretens der heftigen Sturmböen überhaupt noch möglich gewesen wäre. Auch wenn nur eine Gewitterwarnung vorliegt und eine dezidierte Sturmwarnung fehlt, entschuldigt das nicht.
§ 23 Abs. 2
VwGH 2004/02/0288 vom 18.2.2005
Wie sich aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 und 2 AM-VO unmissverständlich ergibt, handelt es sich bei den zwingend schriftlichen "Betriebsanweisungen" keineswegs um etwaige in selbstfahrenden Arbeitsmaschinen befindliche "Betriebsanleitungen" des Herstellers, selbst wenn diese Sicherheitshinweise enthalten. Denn in den die Arbeitsmaschine betreffenden Betriebsanleitungen kann der Hersteller naturgemäß die "betrieblichen Gegebenheiten" nicht berücksichtigen, wie dies § 23 Abs. 2 AM-VO ausdrücklich verlangt. "Betriebsanweisungen" gehen daher im Regelfall über den Inhalt von "Betriebsanleitungen" und sonstige von Außenstehenden, wie etwa der AUVA, zur Verfügung gestellten Merkblättern (die allerdings als Grundlage zur Erstellung von "Betriebsanweisungen" durchaus herangezogen werden können) hinaus, weil sie durch erforderliche betriebsspezifische Regelungen, wie beispielsweise innerbetriebliche Verkehrsregeln, zu ergänzen sind.
Aus dem Normtext des § 23 Abs. 1 und 2 AM-VO ist unschwer zu erkennen, dass sich "Betriebsanweisungen" nicht allein an die Fahrer zu richten haben, sondern an alle Arbeitnehmer, welche innerbetrieblich durch im Fahrbetrieb befindliche selbstfahrende Arbeitsmaschinen gefährdet werden könnten.
§ 34
OGH vom 19.9.2013, 2 Ob 211/12m
Während sich § 34 Abs. 1 AM-VO explizit an den Arbeitgeber richtet, treffen die in § 34 Abs. 2 und § 36 Abs. 1 AM-VO normierten Pflichten auch einen mit dem Arbeitgeber des Verwenders nicht identen Aufsteller einer Leiter und den Verwender selbst.
§ 36 Abs.1
OGH vom 19.9.2013, 2 Ob 211/12m
Während sich § 34 Abs. 1 AM-VO explizit an den Arbeitgeber richtet, treffen die in § 34 Abs. 2 und § 36 Abs. 1 AM-VO normierten Pflichten auch einen mit dem Arbeitgeber des Verwenders nicht identen Aufsteller einer Leiter und den Verwender selbst.
§ 43
VwGH 2010/02/0294 vom 23.3.2012
Es ist für die nach § 45 Abs. 1 und 2 AM-VO (Anm.: jetzt § 43 Abs. 3 und 5 AM-VO) anzubringenden Schutzvorrichtungen nicht maßgeblich, ob allenfalls für diese Maschine (ohne Schutzvorrichtung) eine Zertifizierung durch die AUVA erfolgt ist bzw. dass eine Prüfbescheinigung eines näher genannten Unternehmens vorliegt und in der Vergangenheit keine Beanstandung durch das Arbeitsinspektorat erfolgt ist. Der Geschäftsführer darf nicht darauf vertrauen, sondern muss sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut machen.
§ 43 Abs. 3
VwGH 2011/02/0322 vom 18.11.2011
Wird eine Gefahrenstelle nicht gesichert, wird § 43 Abs. 3 AM-VO übertreten. Wenn es möglich ist, mangels erforderlicher "Einhausung" in den Gefahrenbereich hineinzugreifen, ist unbeachtlich, ob die Person, die das Gerät bedient, geschult ist und im Rahmen der Schulung angewiesen wird, nicht in die Maschine zu greifen.
§ 43 Abs. 4
VwGH Ra 2019/02/0258 vom 3. Februar 2020
§ 43 Abs. 4 AM-VO fordert für den Fall, dass sich Schutzeinrichtungen nach Abs. 3 ohne fremde Hilfsmittel öffnen oder abnehmen lassen, eine näher genannte Beschaffenheit der Schutzeinrichtungen, ohne dass es darauf ankäme, dass das Öffnen oder Abnehmen der Schutzeinrichtung von einem "bestimmungsgemäßen Gebrauch" abhängt. Vielmehr wird darauf abgestellt, dass ohne fremde Hilfsmittel ein Öffnen oder Abnehmen der Schutzeinrichtung überhaupt nicht möglich ist.
Letzte Änderung am: 11.06.2021