Schutzeinrichtungen von Arbeitsmitteln

Bei CE-gekennzeichneten Arbeitsmitteln ist davon auszugehen, dass die Erzeuger die Arbeitsmittel "sicher" gestaltet haben. Alle anderen ("alten") Arbeitsmittel müssen mit Schutzeinrichtungen versehen und so ausgestattet sein, dass sie der Arbeitsmittelverordnung entsprechen.

Allgemeines

Wichtiger Hinweis:
Die nachfolgenden informationen gelten nur "alte" Arbeitsmittel" (Maschinen) ohne CE-Zeichen.

Informationen zur Nachrüstung von Arbeitsmitteln und Beispiele aus der Praxis enthält die Leitlinie und Beispielsammlung zur Nachrüstung von Arbeitsmitteln (PDF, 0,3 MB) .

Bei Arbeitsmitteln können verschiedenste Gefahrenstellen und Gefährdungen vorkommen:

  • Mechanische Gefahrenstellen
  • Quetschstellen
  • Scherstellen
  • Einzugs- und Fangstellen (an sich drehenden Teilen)
  • Stichstellen
  • Teile mit hohen bzw. niedrigen Temperaturen
  • Strahlung, Laser
  • weggeschleuderte Teile
  • herabfallende Teile (von Lagerungen oder gehobene Lasten)
  • emittierte Stäube, Dämpfe, Aerosole
  • hoher Druck
    Brandgefahr, Explosionsgefahr
  • Kollisionen (mit Teilen von Arbeitsmitteln oder mit Fahrzeugen)
  • Absturzgefahren
  • Kippen oder Überrollen von Fahrzeugen

Gefahrenstellen

Gefahrenstellen sind alle Stellen an bewegten Teilen von Arbeitsmitteln, bei denen bei mechanischem Kontakt eine Verletzungsgefahr besteht.

Gefahrenstellen sind insbesondere

  • bewegte Teile von Kraftübertragungseinrichtungen, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden
  • sonstige bewegte Teile von Arbeitsmitteln, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen, wie zB Bewegungsbahnen von Gegen- und Schwunggewichten, bilden
  • vorstehende Teile an bewegten Teilen von Arbeitsmitteln, wie Stellschrauben, Bolzen, Keile, Schmiereinrichtungen, rotierende Teile von Arbeitsmitteln
  • bewegte Teile eines Arbeitsmittels, die der Bearbeitung, Verarbeitung, Herstellung oder der Zuführung oder Abführung von Stoffen oder Werkstücken dienen (zB Werkzeuge), die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden
  • bewegte Werkstücke, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden.

Keine Gefahrenstelle liegt vor, wenn

  • die Leistung des Arbeitsmittels so gering ist, dass bei Berührung keine Verletzungsgefahr besteht
  • die an der Gefahrenstelle wirkende Kraft unter Berücksichtigung der Form der Gefahrenstelle so gering ist, dass bei Berührung keine Verletzungsgefahr besteht, oder
  • die Einhaltung des jeweils erforderlichen Sicherheitsabstands gewährleistet ist

Der Schutz muss in erster Linie durch Verdecken oder Verkleiden der Gefahrenstelle erfolgen bzw. bei größeren Teilen durch Umwehren (z.B. durch einen Zaun).

  • Verkleidungen müssen ein Erreichen der Gefahrenstelle von allen Seiten verhindern
  • Verdeckungen müssen ein unbeabsichtigtes Berühren der Gefahrenstelle von den zugänglichen Seiten verhindern
  • Umwehrungen müssen ein unbeabsichtigtes Annähern an die Gefahrenstelle verhindern

Wenn die Gefahrenstellen nicht durch Verdecken oder Verkleiden gesichert werden können, weil sonst Arbeitsvorgänge nicht durchgeführt werden können, müssen

  • Sicherungen mit Annäherungsreaktion wie Lichtschranken und Trittschaltmatten oder
  • abweisende Einrichtungen oder
  • Schalteinrichtungen ohne Selbsthaltung ("Tot-Mann-Schalter") oder
  • ortsbindende Einrichtungen wie Zweihandschaltungen

verwendet werden.

Soweit aufgrund der Arbeitsvorgänge eine Sicherung der Gefahrenstellen auch nicht mit Schutzeinrichtungen möglich ist, sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die Gefahrenstellen zu informieren und jährlich in der Vermeidung von Verletzungsgefahren zu unterweisen.

Schutzeinrichtungen müssen auch bei Einstell-, Wartungs-, Reinigungsarbeiten und Störungsbeseitigung an eingeschalteten Maschinen vorhanden sein.

§ 43 AM-VO

Sonstige Gefahren

Arbeitsmittel müssen so ausgelegt werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Freisetzung von Arbeitsstoffen (zB Gase, Dämpfe, Rauch, Staub, Flüssigkeiten), die in dem Arbeitsmittel verwendet werden, nicht gefährdet werden können. Erforderlichenfalls müssen die Arbeitsmittel mit Einrichtungen ausgestattet sein, die den Anschluss an eine Absauganlage ermöglichen.

Späne, Splitter oder ähnliche Teile

Können bei der Verwendung von Arbeitsmitteln Späne, Splitter oder ähnliche Teile wegfliegen und dadurch Gefahren für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entstehen, müssen

  • die Arbeitsmittel mit Schutzeinrichtungen ausgestattet sein, die das Wegfliegen verhindern (zB Verdeckungen, Verkleidungen, Schutzhauben, Schutzfenster, Absauganlagen, Rückschlagsicherungen) oder
  • wenn dies aufgrund der Arbeitsvorgänge nicht möglich ist Maßnahmen getroffen sein, die Gefährdung verhindern (zB Umwehrungen oder räumliche Trennung)

Hohe oder niedrige Oberflächentemperatur

Teile von Arbeitsmitteln, die eine Oberflächentemperatur von mehr als 60°C oder von weniger als -20°C erreichen können und sich innerhalb des Schutzabstands befinden, sind so zu sichern, dass die ArbeitnehmerInnen sie nicht berühren oder ihnen gefährlich nahe kommen können. Das gilt nicht, wenn die Ermittlung und Beurteilung der Gefahren ergeben hat, dass aufgrund der konkreten Verhältnisse in Abhängigkeit von

  • Temperatur
  • Wärmeleitfähigkeit
  • Eigenschaft der Oberfläche
  • Art und Dauer der möglichen Berührung

keine Gefährdung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besteht.

Soweit eine Sicherung dieser Gefahrenstellen aufgrund der Arbeitsvorgänge nicht möglich ist, ist der Gefahrenbereich zu kennzeichnen und dafür zu sorgen, dass sich dem betreffenden Teil nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nähern können, die über die Gefahr besonders informiert wurden und geeignete persönliche Schutzausrüstung tragen.

§ 44 AM-VO

Maßnahmen zum Schutz vor Verbrennung bei Kachelöfen

Die Bundesinnung der Hafner, Platten- und Fliesenleger und Keramiker hat in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Kachelofenverband und dem Zentralen Arbeitsinspektorat des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft ein  Informationsblatt zum Thema „Heiße Oberflächen – Maßnahmen zum Schutz vor Verbrennung bei Kachelöfen“  herausgegeben.

Gefahren durch hohe Drücke

Arbeitsmittel müssen so ausgelegt werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht gefährdet werden können durch Brand oder Erhitzung des Arbeitsmittels oder durch Explosionen des Arbeitsmittels oder von Stoffen, die in dem Arbeitsmittel erzeugt, verwendet oder gelagert werden.

§ 44 AM-VO

Ein Beispiel aus der Praxis

Ein nicht erkannter Druckanstieg in einem Tankwagen für die Entsorgung von Speiseresten und Küchenabfällen führte zu einem schweren Arbeitsunfall, bei dem ein Arbeitnehmer beim Öffnen einer Luke vom Tankwagen geschleudert wurde.

Biologisches Material ist natürlichen Prozessen von Mikroorganismen unterworfen, die Gärung, Verrottung, etc. sein können. Jeder dieser Prozesse geht damit einher, dass festes oder flüssiges biologisches Material unter anderem in Gase (CO, CO2, H2S, CH4, etc.) umgewandelt wird und es somit zu einer Druckerhöhung in Behältern kommt, sofern diese dicht abgeschlossen sind.

Sicherheitsmaßnahmen und Hintergrundinformationen enthält der Erlass Sicherheit von geschlossenen Fahrzeugen zur Beförderung und Entsorgung von Speiseresten , Küchenabfällen und anderer organischer Substanzen (PDF, 0,1 MB) .

Sicherheitsabstände

  • Bei der Sicherung von Gefahrenstellen müssen die auf den Menschen bezogenen Sicherheitsabstände berücksichtigt sein.
  • Diese Sicherheitsabstände ergeben sich aus der in Richtung Gefahrenstelle gemessenen Reichweite einer Person mit ihren Körperteilen ohne Zuhilfenahme von Gegenständen einschließlich eines Sicherheitszuschlages.
  • Der Sicherheitsabstand von der Standflächenebene nach oben gemessen muss mindestens 2 500 mm betragen.

Anhang C AM-VO

Hineinreichen in und Hindurchreichen durch längliche Öffnungen

Der Sicherheitsabstand in Abhängigkeit von der Öffnungsweite muss mindestens betragen:

  • über 4 bis 8 mm mindestens 15 mm
  • über 8 bis 20 mm mindestens 120 mm
  • über 20 bis 30 mm mindestens 200 mm
  • über 30 bis 135 mm mindestens 850 mm

Anhang C AM-VO

 

Grafische Darstellung der Sicherheitsabstände in Abhängigkeit von den Öffnungsweiten

Hineinreichen in und Hindurchreichen durch quadratische oder kreisförmige Öffnungen

Der Sicherheitsabstand in Abhängigkeit von der Öffnungsweite muss mindestens betragen:

  • über 4 bis 8 mm mindestens 15 mm
  • über 8 bis 25 mm mindestens 120 mm
  • über 25 bis 40 mm mindestens 200 mm
  • über 40 bis 250 mm mindestens 850 mm

Anhang C AM-VO

Herumreichen um Kanten

Beim Herumreichen um beliebig gelegene Kanten beträgt der Sicherheitsabstand:

  • für die Hand von der Fingerwurzel bis zur Fingerspitze mindestens 120 mm
  • für die Hand von der Handwurzel bis zur Fingerspitze mindestens 230 mm
  • für den Arm von der Ellenbeuge bis zur Fingerspitze mindestens 550 mm
  • für den Arm von der Achsel bis zur Fingerspitze mindestens 850 mm

Anhang C AM-VO

Grafische Darstellung der Sicherheitsabstände beim Herumreichen um Kanten

Hinüberreichen über Kanten an Arbeitsmitteln oder Schutzeinrichtungen

Beim Hinüberreichen über Kanten an Arbeitsmitteln oder Schutzeinrichtungen wird der erforderliche Sicherheitsabstand erreicht, wenn bei gegebenem lotrechten Abstand der Gefahrenstelle von der Standflächenebene (a) und bei gegebenem lotrechten Abstand der Kante von dieser Ebene (b) der in der nachstehenden Tabelle zugehörige Wert für den waagrechten Abstand dieser Kante von der Gefahrenstelle (c) nicht unterschritten wird, sofern diese Kanten einen Abstand von der Standflächenebene von 1 000 mm oder mehr haben. Der Bereich zwischen Schutzeinrichtung und Gefahrenstelle darf nicht betretbar sein.

Tabelle Maße a, b und c (Anhang C AM-VO)

Grafische Darstellung der Sicherheitsabstände beim Hinüberreichen über Kanten, Maße a, b und c Tabelle der Sicherheitsabstände beim Hinüberreichen über Kanten, Maße a, b und c

Gestaltung

Gefahrenstellen an Arbeitsmitteln müssen durch Schutzeinrichtungen gesichert sein.

Diese Schutzeinrichtungen

  • müssen stabil gebaut sein
  • dürfen keine zusätzlichen Gefahren verursachen
  • dürfen nicht auf einfache Weise umgangen oder unwirksam gemacht werden können
  • dürfen Beobachtungs- und Überwachungsvorgänge wie z.B. von Arbeitsvorgängen nicht mehr als notwendig einschränken und
  • dürfen die für den Einbau oder Austausch von Teilen sowie für Rüst- oder Wartungsarbeiten erforderlichen Eingriffe möglichst ohne Demontage der Schutzeinrichtungen zulassen, wobei der Zugang auf den für die Arbeit notwendigen Bereich beschränkt sein muss.

Bei der Sicherung von Gefahrenstellen müssen die auf den Menschen bezogenen Sicherheitsabstände berücksichtigt sein.

Öffenbare Schutzeinrichtungen

Wenn Schutzeinrichtungen öffenbar ausgeführt werden (z.B. Schutztüren), müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Sie dürfen sich nur öffnen lassen, wenn das Arbeitsmittel stillsteht, oder wenn es beim Bewegen dieser Schutzeinrichtung selbsttätig stillgesetzt wird.
  • Ein Nachlauf der Maschine muss berücksichtigt werden.
  • Verriegelungen müssen so gestaltet und angeordnet sein, dass sie nicht leicht unwirksam gemacht werden können.
  • Das Ingangsetzen darf nur möglich sein, wenn die Schutzeinrichtung wieder geschlossen ist.

§ 43 AM-VO

Ein- und Ausschaltvorrichtungen, Steuerungen

  • Arbeitsmittel müssen sicher wirkende Vorrichtungen zum Ein- und Ausschalten aufweisen.
  • Die Schaltstellungen „Ein" bzw. „Aus" müssen gekennzeichnet sein.
  • Wenn nicht erkennbar ist, ob das Arbeitsmittel in Betrieb ist und dadurch Gefahren für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entstehen können, müssen Einrichtungen, wie Kontrolllampen, vorhanden sein, die den Schaltzustand anzeigen.
  • Ein- und Ausschaltvorrichtungen müssen so angeordnet und gestaltet sein, dass ein unbeabsichtigtes Betätigen vermieden ist.
  • Wenn beim Einschalten eines größeren, unübersichtlichen oder programmgesteuerten Arbeitsmittels eine Gefahr für Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entstehen kann, ist eine optische oder akustische Warneinrichtung vorzusehen, um vor dem Anlauf des Arbeitsmittels zu warnen.

§ 45 AM-VO

Not-Halt-Befehlsgeräte

Arbeitsmittel müssen gegebenenfalls entsprechend der von ihnen ausgehenden Gefährdung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der normalerweise erforderlichen Stillsetzungszeit mit einem Not-Halt-Befehlsgerät (z.B. Not-Halt-Taster oder Reißleine) versehen sein.

Not-Halt-Befehlsgeräte müssen leicht, schnell und gefahrlos von jedem Bedienungsplatz der Maschine aus betätigt werden können. Sie müssen sich von anderen Schaltvorrichtungen deutlich unterscheiden.

Not-Aus-Taster müssen:

  • selbsthaltend
  • auffallend rot (gelb unterlegt) gekennzeichnet und
  • leicht, schnell und gefahrlos betätigt werden können.

Durch Entriegeln oder Zurückführen von Not-Halt-Befehlsgeräten in die Ausgangsstellung darf nicht ein Anlaufen des Arbeitsmittels erfolgen.

Das Wiedereinschalten darf erst nach Entriegeln der betätigten Not-Halt-Befehlsgeräte möglich sein.

§ 46 AM-VO

Steuerungen

  • Die Stromkreise müssen so isoliert sein, dass Fehlerströme keine Gefahr bringenden Bewegungen auslösen.
  • Automatische Arbeitsgänge dürfen nicht gleichzeitig oder in falscher Reihenfolge ablaufen können (auch im Fehlerfall).
  • Das Wiedereinschalten von Überlastsicherungen darf das Arbeitsmittel nicht selbsttätig ingangsetzen (außer wenn keine Gefahr damit verbunden ist).
  • Im Fall von Störungen (z.B. durch Erschütterungen, Schwankungen in der Energiezufuhr, Ausfall der Energie oder Wiederkehr der Energie nach Störungen) dürfen Schutzmaßnahmen nicht unwirksam werden und
    auch sonst keine Gefahren für Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entstehen (z.B. durch in Gang setzen von Bewegungen, Herabfallen von festgehaltenen Gegenständen, Lockern von Spannvorrichtungen).

§ 42 AM-VO

Letzte Änderung am: 15.07.2024