Judikatur zur Arbeitsstättenverordnung
Diese Seite enthält Erkenntnisse des VwGH, mit denen Auslegung von Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung getroffen wurden.
Judikatur zu § 1 AStV
§ 1 Abs. 1 - VwGH 2007/02/0004 vom 9.10.2007
Durch die in § 19 Abs. 1 ASchG enthaltene Definition der Arbeitsstätte iVm § 1 Abs. 1 AStV ist zu ersehen, dass der Begriff Arbeitsstätte für den Bereich des ASchG und der AStV ausschließlich iSd in § 19 Abs. 1 ASchG enthaltenen Umschreibung zu verstehen ist.
Bei einer Arbeitsstätte handelt es sich um die Orte in den Gebäuden des Unternehmens und/oder Betriebs, die zur Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen sind, einschließlich jedes Ortes auf dem Gelände des Unternehmens und/oder Betriebs, zu dem Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Arbeit Zugang haben.
Schon aus der Definition des Begriffs der Arbeitsstätte in § 19 Abs. 1 AschG, aber auch verstärkt durch die Wortfolge "in seinem gesamten Verlauf bis zum Endausgang" in § 17 Abs. 1 Z 1 AStV ist klar, dass sich die Bestimmungen der AStV - mit Ausnahme des 6. Abschnittes - nicht nur auf den unmittelbaren Bereich der "eingebetteten" Abteilung einer Firma, sondern auch auf die Fluchtwege und Notausgänge im Gebäude, in dem sich diese Abteilung befindet, beziehen.
Judikatur zu § 10 AStV
§ 10 Abs. 3
VwGH 97/02/0396 vom 28.1.2000
§ 24 Abs. 6 erster Satz AAV (Anm.: jetzt § 10 Abs. 3 AStV) verbietet schlechthin Lagerungen auf Stiegen, wobei jegliche - wenngleich auch kurzfristige - Lagerung (z. B. auch das Abstellen von gelieferten Waren in unmittelbarer Nähe eines Ausgangs bis zu deren Abholung durch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ) verboten ist. Ob eine Mindestbreite gewahrt wird, spielt hier keine Rolle.
Judikatur zu § 18 AStV
§ 18 Abs. 1
VwGH 2003/04/0122 vom 2.6.2004
Für die Frage der ausreichenden Breite des Fluchtwegs kommt es nicht auf das Maß des Türstocks, sondern auf die tatsächlich für ein Verlassen des Raums zur Verfügung stehende Breite an.
§ 18 Abs. 2
VwGH 2003/04/0122 vom 2.6.2004
Es kommt nicht auf die im Regelfall anwesende Personenzahl an, sondern es muss auch bei Anwesenheit der maximal zulässigen Personenzahl ein sicheres Verlassen im Notfall gewährleistet sein.
§ 18 Abs. 3
VwGH 2007/02/0004 vom 9.10.2007
Im Hinblick auf § 18 Abs. 3 AStV bzw. § 20 Abs. 1 Z 1 AStV (arg.: "Personen, die ... angewiesen sein könnten") kommt es nur auf das möglicherweise Angewiesensein auf die Benützung an.
Judikatur zu § 19 AStV
§ 19 Abs. 1
VwGH 2007/02/0004 vom 9.10.2007
§§ 19 Abs. 1 und 20 Abs. 1 AStV richten sich an alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf die Benützung der Fluchtwege und Notausgänge möglicherweise angewiesen sind (und deshalb auch auf die Dimension der Fluchtwege und Notausgänge mitzuzählen sind). Für den Fall einer "eingebetteten" Abteilung bedeutet dies, dass sowohl der Arbeitgeber der in dieser Abteilung eingesetzten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber der diese Abteilung umschließenden Betriebsstätte eines Unternehmens für die Einhaltung der Bestimmungen der §§ 19 Abs. 1 und 20 Abs. 1 AStV zu sorgen haben.
Judikatur zu § 20 AStV
§ 20 Abs. 1 Z 2
VwGH 91/19/0362 vom 9.3.1992
Unter dem Begriff des "Verstellens" eines Ausganges ist jedes Abstellen von Gegenständen im Bereich eines Ausganges zu verstehen, wobei es auf den Zweck ebensowenig ankommt, wie auf die Dauer. Auch das Abstellen eines Einkaufskorbes - durch wen auch immer - kann somit ein Verstellen in diesem Sinn darstellen. Den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern als Normadressaten trifft die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass ein Verstoß gegen diese Vorschrift auch nicht durch betriebsfremde Personen - etwa einen Kunden - herbeigeführt wird.
Judikatur zu § 25 AStV
§ 25 Abs. 1 AStV
VwGH 2005/02/0307 vom 11.8.2006
Die Bestimmung des § 25 Abs. 1 AStV zielt nicht ausschließlich auf die bauliche Ausgestaltung ab, sondern weist im Gegenteil darauf hin, dass diese Bestimmung sowohl die bauliche Herstellung als auch den Zustand während der Verwendung dieses Arbeitsraums regelt.
Schon aus der Wortfolge des § 25 Abs. 1 AStV "möglichst gleichmäßig natürlich belichtet" wird klar, dass zum Beispiel Lagerungen von Getränkeflaschen und Getränkekisten bei Beeinflussung der natürlichen Belichtung zu unterlassen sind. Es ist allgemein bekannt, dass etwa auch Getränkeflaschen die natürliche Belichtung nicht völlig unberührt lassen. Deshalb sind auch Lagerungen von Getränkeflaschen bzw. Getränkekisten in ihrer flächenmäßigen Gesamtausdehnung von den zur Verfügung stehenden Lichteintrittsflächen zu subtrahieren. Es bedarf daher keiner näheren Untersuchung wie etwa des Materials, der Art und Farbe der gelagerten Getränkeflaschen bzw. ihres Inhaltes und der Größe von Etiketten.
VwGH 98/02/0279 vom 14.9.2001
Der Tatbestand der Übertretung des § 8 Abs. 1 erster Satz erster Tatbestand AAV
(Anm.: jetzt: § 25 Abs. 1 AStV) erfordert keine allfällige Gefährdung der Gesundheit eines Arbeitnehmers in den jeweiligen Arbeitsräumen.
VwGH 96/02/0027 vom 21.3.1997
Bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 8 Abs. 1 AAV
(Anm.: jetzt: § 25 Abs. 1 AStV) handelt es sich um ein Dauerdelikt. Bei diesem ist nicht nur die Herbeiführung des rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert; die Tat wird so lange begangen, als der verpönte Zustand dauert.
VwGH 3043/79 vom 27.1.1981
Arbeitsräume müssen, sofern nicht produktionstechnische Gründe etwas anderes erfordern, nach Maßgabe der darin angeführten Tätigkeiten ausreichend und möglichst gleichmäßig natürlich belichtet sein.
VfGH V30/64 vom 17.12.1964
Ein mit Fenstern versehener und daher natürlich belichteter Arbeitsraum soll der Regelfall sein. Daher müssen Arbeitsräume, soweit produktionstechnische Gründe nicht etwas anderes erfordern, nach Maßgabe der darin ausgeführten Tätigkeiten ausreichend und möglichst gleichmäßig natürlich belichtet werden, d. h. die Intensität der Belichtung hat der jeweils ausgeübten Tätigkeit zu entsprechen.
§ 25 Abs. 1 Z 1
VwGH 2005/02/0307 vom 11.8.2006
Zur Umschreibung einer Übertretung nach § 25 Abs. 1 (erster Fall) AStV (iVm § 130 Abs. 1 Z 15 ASchG) ist es nicht erforderlich, im Spruch des Straferkenntnisses die Berechnung darzulegen, auf Grund welcher die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass die Summe aller ins Freie führenden Lichteintrittsflächen nicht mindestens 10 % der Bodenfläche des Raumes beträgt.
VwGH 92/18/0427 vom 4.2.1993
"Fußbodenfläche" (Anm.: jetzt „Bodenfläche“) iSd § 8 Abs 1 erster Satz AAV (Anm.: jetzt § 25 Abs. 1 Z 1 AStV) ist sowohl die begehbare als auch die durch Einrichtungsgegenstände verstellte, also auch die für den Zeitraum des Verstelltseins nicht begehbare Bodenfläche eines Arbeitsraumes.
§ 25 Abs. 1 Z 2
VwGH 92/18/0427 vom 4.2.1993
Handelt es sich bei einem Raum um einen Verkaufsraum, so ist im Hinblick auf dessen Zweckbestimmung, nämlich den Warenverkauf, und die damit bestimmte Art der Arbeitsvorgänge das Vorhandensein von ins Freie führenden Lichteintrittsflächen und einer Sichtverbindung geboten, auch wenn im Arbeitsraum empfindliche Waren gelagert werden, die vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden müssen, und darin auch lichtempfindliche Entwicklungen von Fotos vorgenommen werden.
Judikatur zu § 28 AStV
§ 28 Abs. 1
VwGH 91/19/0373 vom 28.10.1993
Bei Unterschreiten der Raumtemperatur liegt nicht bloß geringes Verschulden vor und wird durch die Übertretung das durch die Strafdrohung geschützte Interesse an der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in hohem Maße gefährdet.
VwGH 87/08/0292 vom 19.5.1988
Um den Entlastungsbeweis für mangelndes Verschulden hinsichtlich einer Übertretung des § 12 Abs. 2 AAV (Anm.: jetzt § 28 Abs. 1 AStV) zu erbringen, darf sich der Beschuldigte nicht damit begnügen, wiederholt beim Vermieter die ordnungsgemäße Beheizung der Räumlichkeiten zu urgieren und zuletzt des Arbeitsinspektorat einzuschalten, er muss vielmehr, sobald er erkennen kann, dass seine Urgenzen nichts fruchteten, gerichtliche Schritte gegen den Vermieter unternehmen, um die Einhaltung der von diesem übernommenen Vertragspflichten zu erwirken. Hierfür kommt die Einbringung einer Klage auf Zuhaltung des Bestandvertrages, allenfalls verbunden mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, in Betracht.
§ 28 Abs. 3
VwGH 94/02/0203 vom 12.8.1994
Bei Erlassung eines Straferkenntnisses ist eine nähere Konkretisierung der genauen Stellen in den jeweiligen Abteilungen eines Warenhauses, an denen die Luftgeschwindigkeit in Ansehung der Überschreitung des höchstzulässigen Luftzuges an ständigen Arbeitsplätzen gemessen worden ist, nicht erforderlich. Auch bedarf es im Spruch des Straferkenntnisses keiner Begründung, wieso die Behörde zur Qualifizierung der in Rede stehenden Stellen als ständige Arbeitsplätze kam.
Judikatur zu § 33 AStV
§ 33 Abs. 5
OGH vom 29.10.1993, 9 ObA 283/93:
(zu OLG Wien vom 28.6.1993, 32 Ra 79/93) Einer Arbeitnehmerin ist nicht zuzumuten, während der Benützung des WC das offen bleibende Geschäftslokal durch eine offen stehende Gang- und WC-Tür zu überwachen. Notfalls müsste man einer Alleinverkäuferin gestatten, in dieser Zeit das Lokal kurzfristig zu versperren.
Judikatur zu § 34 AStV
§ 34 Abs. 1
VwGH 90/19/0075 vom 23.4.1990
Nach § 84 Abs. 1 erster Satz AAV (Anm.: jetzt § 34 Abs. 1 AStV) muss das Waschwasser (bzw. der Waschplatz) der Dienstnehmerin/dem Dienstnehmer im Betrieb (Anm.: jetzt: in der Arbeitsstätte) selbst zur Verfügung stehen. Diesem Gebot ist daher nicht Rechnung getragen, wenn der Dienstnehmer genötigt ist, die Waschgelegenheit eines benachbarten Betriebes zu benützen.
Judikatur zu § 35 AStV
§ 35
VwGH 92/18/0108 vom 24.3.1994
Nicht jeder Raum, in dem sich ein Kasten iSd § 86 Abs. 1 AAV (Anm.: jetzt § 35 AStV) befindet, wird damit bereits zum Umkleideraum.
VwGH 90/19/0103 vom 18.6.1990
Auch wenn sich eine Arbeitnehmerin lediglich zu Einschulungszwecken vorübergehend in der Filiale aufhält, besteht für den Arbeitgeber die Pflicht zur Bereitstellung eines Garderobekastens (Anm.: jetzt eines versperrbaren Kleiderkastens oder einer sonstigen versperrbaren Einrichtung) für diese Arbeitnehmerin.
VwGH 1910/57 vom 24.3.1959
Platzmangel entschuldigt nicht die Nichteinhaltung der Vorschrift des § 55 ADNSchV (Anm.: jetzt § 35 AStV).
§ 35 Abs. 1
VwGH 95/02/0605 vom 29.3.1996
Auch im Rahmen eines Schichtbetriebes ist jeder Arbeitnehmerin/jedem Arbeitnehmer ein entsprechender Kasten iSd § 86 Abs. 1 AAV (Anm.: jetzt § 35 Abs. 1 AStV) zur Verfügung zu stellen.
VwGH 95/02/0280 vom 10.10.1995
Zur Frage, ob zur Tatzeit entsprechend der Vorschrift des § 86 Abs. 1 AAV (Anm.: jetzt § 27 Abs. 4 ASchG bzw. § 35 Abs. 1 AStV) entsprechende Kästen zur Verfügung gestanden sind, kann die Vornahme eines Lokalaugenscheines im Nachhinein nicht als taugliches Beweismittel angesehen werden.
VwGH 93/02/0273 vom 24.11.1993
Selbst wenn das Unternehmen, bei welchem die Kästen gekauft werden, auf den Vertrieb solcher Garderobekästen spezialisiert ist, kann sich der Arbeitgeber nicht ohne weiteres darauf verlassen, dass diese Kästen der Vorschrift des § 86 Abs. 1 AAV (Anm.: jetzt § 35 Abs. 1 AStV) entsprechen, sondern hat sich - allenfalls durch Rücksprache beim Arbeitsinspektorat - von der Vorschriftsgemäßheit zu überzeugen.
VwGH 90/19/0040 vom 26.2.1990
Der Zweck des § 86 Abs. 1 AAV (Anm.: jetzt § 35 Abs. 1 AStV) besteht nicht nur darin, die Kleidungsstücke der Dienstnehmer vor schädlichen Einwirkungen auf die Gesundheit der Dienstnehmer zu schützen, sondern auch darin, diese in die Lage zu versetzen, die ihnen gehörigen Gegenstände, wie Kleider und Wertsachen, vor dem Zugriff anderer Personen zu schützen. Bei sieben Dienstnehmern genügt es nicht, dass nur 5 Kästen vorhanden sind, selbst dann nicht, wenn nicht alle zur selben Zeit anwesend sind (Schichtbetrieb) und der Schlüssel im völlig entleerten Kasten steckengelassen wird. Dadurch würde nämlich dem Arbeitnehmer die Möglichkeit genommen, ihm gehörige Gegenstände des täglichen Bedarfes im Betrieb zu belassen.
VwGH 88/08/0113 vom 27.9.1988
Arbeitnehmern zur Verfügung gestellte Garderobekästen mit einem versperrbaren Teil im Ausmaß von nur 22 x 33 x 50 cm entsprechen nicht den Erfordernissen des § 86 Abs. 1 AAV (Anm.: jetzt § 35 Abs. 1 AStV).
VwGH 2608/76 vom 7.10.1980
Der Arbeitgeber entspricht dem § 55 Abs. 1 ADSchV (Anm.: jetzt: § 27 Abs. 4 ASchG und § 35 Abs. 1 AStV) nur, wenn er jeder Dienstnehmerin/jedem Dienstnehmer ein selbstständiges (nicht auch zur Aufbewahrung von anderen Dingen als jenen der Dienstnehmerin/des Dienstnehmers bestimmtes) und von ihm versperrbares Behältnis für seine Kleidung zur Verfügung stellt.
Judikatur zu § 39 AStV
§ 39 Abs. 1
VwGH 94/02/0482 vom 7.4.1995
Der Verstoß, kein ausreichendes und geeignetes Erste-Hilfe-Material bereitgestellt zu haben, muss durch zumindest beispielhafte Aufzählung der fehlenden Erste-Hilfe-Mittel begründet werden. Sinnlos und daher mangelhaft ist z.B. Verbandmaterial ohne Behelfe zum Befestigen, wie etwa Sicherheitsnadeln.
Judikatur zu § 42 AStV
VwGH 95/02/0060 vom 23.2.1996
Ein Feuerlöscher, dessen Griff sich in einer Höhe von 1,80 m befindet, kann bei einer Lagerung von zwei Reihen Getränkekisten, die bis an die Unterkante des Handfeuerlöschers reichen, dem Regelungszweck einer "leichten Erreichbarkeit" nicht gerecht werden.
Letzte Änderung am: 08.04.2021