Wasserstoff

Wasserstoff ist ein brennbares Gas, welches mit unsichtbarer Flamme brennt. Es ist leichter entzündlich als andere brennbare Gase und auf Grund des höheren Druckanstieges während einer Explosion, sind die Auswirkungen von Wasserstoffexplosionen deutlich stärker als zB jene von Methanexplosionen –  der Druckanstieg ist ca. 12-mal so hoch.

Einleitung

Wasserstoff kommt sowohl als Energieträger zB in Brennstoffzellen, als auch als Ausgangprodukt bzw. Reaktant in einigen Prozessen vor. Viele Anwendungen gibt es bereits seit mehreren Jahren bzw. Jahrzehnten, wenn auch in geringerem Umfang. Auf Grund der geplanten vermehrten Verwendung von Wasserstoff sowohl in Brennstoffzellen, als auch bei Produktionsprozessen wie für „grünen Stahl“ stellt sich die Frage wie der Einsatz von Wasserstoff aus Sicht der Arbeitsinspektion zu beurteilen ist. Auf Grund der extrem leichten Entzündbarkeit, sowie dem riesigen Unterschied zwischen oberer und untere Explosionsgrenze ist die größte Problematik aus Sicht des Arbeitsschutzes der Explosionsschutz. Bei Verwendung von Wasserstoff ist somit fast immer ein Explosionsschutzdokument gemäß VEXAT zu erstellen.

In Anlagen in denen Wasserstoff verwendet wird, muss auf eine höchstmögliche Dichtheit abgezielt werden. Dies ist die grundlegende Maßnahme des primären Explosionsschutzes. Großen Einfluss auf Dichtheit haben vor allem Werkstoffauswahl, Planung für allfällige Wartungsarbeiten und dergleichen (Absperreinrichtungen, Gestaltung von lösbaren Verbindungen) und eine Überprüfung der Dichtheit.

Genehmigungsverhandlungen

Aus Sicht des Zentral-Arbeitsinspektorats wird es bei der Beurteilung von Projektunterlagen durch Sachverständige und Gutachtern insbesondere um die Prüfung folgender Merkmale eines Projektes gehen, um den erforderlichen Explosionsschutz zu gewährleisten (VEXAT):

  • Eignung der verwendeten Werkstoffe*, Anlagenteile, Dichtungen(!) und Komponenten.
    Betrachtet werden müssen dabei auch
    • Alterungseffekte,
    • mechanische Belastungen, Einsatztemperaturen inkl. Temperaturschwankungen,
    • sonstige verwendete Medien.
  • (Wiederkehrende) Überprüfung von Rohrleitungen, Anlagen und Messeinrichtungen
  • Maßnahmen zur Überprüfung der Dichtheit, Ausmaß und Frequenz der Überprüfungen
  • Geometrie der Ex-Zone muss an Wasserstoff und den Druck in der Anlage angepasst sein. Wasserstoff ist leichter als Luft, kann sich in Deckennähe oder Zwischendecken sammeln, bei hohen Drücken und möglichen Leckagen ist die resultierende Ex-Zone größer
  • Einsatz von Gaswarnanlagen, in Deckennähe/größerer Höhe und allenfalls Aktivierung von Not-Aus und Lüftung
  • Einsatz von Gasleck-Suchgeräten und von personengetragenen, mobilen Gasdetektoren
  • Geometrie der Anlage: Vermeidung von schlecht durchströmten Stellen
  • Lösbare Verbindungen müssen ein höchstes Maß an Dichtheit ermöglichen. Bei geschraubten Verbindungen wären das zB Klemmringverschraubungen. Lösbare Verbindungen sind in sehr beengten Räumen, Gehäusen etc. nicht zulässig.
  • Verwendete Gase zur Dichtheitsüberprüfung; die meisten Moleküle sind deutlich größer als das Wasserstoffmolekül. Eine erste Dichtheitsprüfung zur Beseitigung größerer Undichtheiten kann mit einem unbrennbaren Gas wie zB Stickstoff erfolgen. Erst anschließend sollte eine Dichtheitsprüfung mit Wasserstoff durchgeführt werden. Außer „finale“ Dichtheitsprüfungen mit Wasserstoff selbst, eignet sich meist nur noch Helium um Dichtheit ausreichend überprüfen zu können. Die Restkonzentration der verwendeten Spülgase bzw. des Wasserstoffs darf jeweils 1% H2 bzw. 1 % Spülgas vor Außer- oder Inbetriebnahme nicht übersteigen.
  • Trennung von wasserstoffführenden und nicht wasserstoffführenden Anlagenteilen, muss sichergestellt werden,  zB durch zuverlässige Kontrolle von Ventilen, bei vorübergehenden Absperrungen durch doppelt ausgeführten Absperreinrichtungen.
  • Wasserstoffkompressoren müssen bei Eindringen von Luft den Verdichtungsvorgang unterbrechen.
  • Bei flüssigem Wasserstoff (Kondensations-/Verdampfungstemperatur -253 °C) sind die Temperaturen derartig niedrig, dass auch Luftbestandteile fest sind (Sauerstoff friert bei ‑219 °C). Daher müssen alle anderen Stoffe ferngehalten werden, da zB feste Luft und flüssiger Wasserstoff sprengstoffähnliche Eigenschaften haben. Bei nicht isolierten Anlagenteilen kann der verflüssigte Sauerstoff  sich derart anreichern, dass dieser mit brennbaren Stoffen (Holz, Asphalt) zu brennen beginnt oder eine Explosion auslöst.
  • Lagerung von Gasbehältern ausschließlich in definierten Bereichen
  • Abblase-Vorrichtungen nur in definierten Zonen im Freien
  • Ausreichende Erdung bzw. Potentialausgleich von allen Anlagenteilen, Fahrzeugen etc.
  • Optisches Auszeichen der Ex-Zonen auch rund um Überdruckventile und dergleichen
  • Eignung von Geräten, Werkzeugen, PSA und Arbeitskleidung für den Anwendungsbereich
  • Wasserstoff darf nicht in vorher Luft führende Anlagenteile mittels Druckstoß eingebracht werden
  • Keine Explosionsfähigen Gemische innerhalb von Anlagen, da selbst die Reibungswärme beim Auslösen von Ventilen bereits Zündquelle sein kann

* Manche Stahlsorten und Gusseisen sind nicht für Wasserstoff geeignet, Kupfer, Messing Aluminium, Gummi, einige Kunststoffe, Carbon und Silikon können, sofern es Temperatur- und Druckbedingungen zulassen, prinzipiell verwendet werden.

Explosionsschutzmaßnahmen

Primärer Explosionsschutz

Wasserstoff hat eine extrem große Spanne zwischen unterer (UEG) und oberer (OEG) Explosionsgrenze. Diese liegt zwischen 4 und 77 Vol%. Zum Vergleich: bei Methan erstreckt sich die Spanne zwischen 4,4 und 16,5 Vol%. Daher kann nicht nur der Austritt von Wasserstoff in Luft, sondern auch Eindringen von Luft in wasserstoffgefüllte Anlagenteile zu einer explosionsfähigen Atmosphäre führen.

Ebenso ist das Wasserstoffmolekül deutlich kleiner als zB Methan, nur Helium hat eine vergleichbare Größenordnung. Wasserstoff ist auch deutlich leichter als Luft, aber auch deutlich leichter als Methan, daher werden explosionsfähige Atmosphären eine andere Geometrie und Lage in Bezug auf die Austrittstelle als bei den meisten Gasen haben. Ebenso kann Wasserstoff in vielen Werkstoffen zu Wasserstoffversprödung führen. Dann kann eine explosive Dekompression (plötzliches Zerreißen auf Grund Vorschädigung, vor Allem bei plötzlichem Druckabfall) auftreten, oder auch zu Zerbersten von Rohrleitung und Behältern führen. Stähle, sofern sie nicht austenitisch sind (diese haben meist einen hohen Nickelgehalt und sind dementsprechend kostenintensiver), sind davon auch betroffen.

Sensoren und Messgeräte zum Feststellen eines Wasserstoffvorkommens sind in vielen Fällen eine notwendige Ergänzung um Dichtheit ausreichend garantieren zu können.

Der Bereich um Wasserstoffanlagen ist in jedem Fall als explosionsgefährdeter Bereich anzusehen.

Sekundärer Explosionsschutz (Zündquellenvermeidung)

Sekundärer Explosionsschutz wird auf Grund der geringen benötigten Zündenergien von Wasserstoff häufig nur sehr schwer möglich sein.  Zum Vergleich: die Mindestzündenergie von Wasserstoff beträgt 0,019 mJ, jene von Methan 0,28 mJ – das ist fast ein Faktor 20. So können bereits Rostteilchen die von schnell strömendem Wasserstoff mitgerissen werden als Zündquelle fungieren. Ebenso kann es zu „Selbstentzündung“ kommen, wenn Wasserstoff sehr schnell in vorher nicht wasserstoffführende Rohrleitungen ausströmt oder wenn eine explosionsfähige Atmosphäre vorliegt reicht bereits die Reibungswärme vom Öffnen oder Schließen eines Ventiles.

Da Bereiche um Wasserstoffanlagen immer als Ex-Zone gelten müssen, sind dort alle möglichen Zündquellen fernzuhalten. Heißarbeiten dürfen nur mit ausreichend Abstand durchgeführt werden. Auch nicht funkenziehendes Werkzeug kann bei Wasserstoff eine Zündquelle sein!

Wasserstoffbrände dürfen nicht gelöscht werden, da durch weiteren ausströmenden Wasserstoff eine Explosionsgefahr entsteht. Das Sperren der Gaszufuhr und gegebenenfalls das Kühlen von benachbarten Anlagenteilen und Einrichtungen kann diese Explosionsgefahr hintanhalten.

Maßnahmen für den Betrieb

  • Unterweisung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über alle Maßnahmen, in Hinblick auf die Besonderheiten von Wasserstoff inkl. Berücksichtigung, dass bei Wasserstoff Zündquellen wirken können, die über „das übliche Maß“ hinausgehen
  • Unterweisung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über Maßnahmen bei jeglichen Arbeiten an Rohrleitungen, Apparaten etc. So kann Funkenziehendes Werkzeug in Zonen nicht eingesetzt werden, aber auch nicht funkenziehendes Werkzeug (zB Kupferhämmer) kann als Zündquelle fungieren; Vermeidung von mechanischen Reib-, Schlag- und Abriebvorgängen beim Einsatz von Werkzeugen.
  • Erdung und Potentialausgleich von Anlagen, Fahrzeugen etc.
  • Vermeidung von Zündquellen wie Rostteilchen oder Staubpartikel, die von einem schnell strömenden Wasserstoffstrahl mitgerissen werden (Untergrund und Sauberkeit)
  • Vermeidung von elektrostatischer Aufladung nicht geerdeter Personen, Arbeitsmitteln und Bauteilen.
  • Vermeidung von Stoßwellen beim schnellen Entspannen von unter Druck stehenden Anlagenteilen.
  • Spezielle Persönliche Schutzausrüstung wie ableitfähiges Schuhwerk, ableitfähige Schutzkleidung, ableitfähige Handschuhe.
  • Öffnen von Flaschen- bzw. Bündelventilen erst wenn Druckminderer bzw. Verbrauchern angeschlossen sind und erst nach Prüfen auf Dichtheit. Ventile sind nach Arbeitsende zu schließen.
  • Kein Löschen mit Löschmitteln von Wasserstoffbränden: hier muss nach Schließen von Absperreinrichtungen auf Ausbrennen gewartet werden, da andernfalls ein Rückschlag in die Rohrleitung erfolgen kann. Eine Kühlung von benachbarten Anlagenteilen ist zulässig.
  • Heißarbeiten auch außerhalb von Zonen müssen mit hinreichend Abstand zur Zone durchgeführt werden, da Funken die bei Wasserstoff eine effektive Zündquelle sind, bis zu 10 Meter weit fliegen können.


Letzte Änderung am: 07.03.2024