Muskel- und Skeletterkrankungen

Arbeitsbedingte Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE) sind in Europa trotz vielfältigster Präventionsbemühungen weit verbreitet und gehören zu den häufigsten arbeitsbedingten Erkrankungen in Europa.

In der Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen aus dem Jahr 2015 gaben rund drei von fünf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an, unter Muskel- und Skeletterkrankungen zu leiden. Schmerzen im Rücken und in den oberen Gliedmaßen wurden am häufigsten genannt. 

Muskel- und Skeletterkrankungen sind nicht nur für jeden einzelnen Betroffenen belastend und verursachen menschliches Leid. Sie stellen auch Betriebe, Volkswirtschaft und Gesellschaft vor eine große Herausforderung, da sie zu den häufigsten Ursachen von Behinderungen, Krankschreibungen sowie Frühpension bzw. Invaliditätspension zählen.

Von arbeitsbedingten Muskel- und Skeletterkrankungen spricht man, wenn gesundheitliche Probleme der Muskeln, Sehnen, Bänder, Knorpel, Gefäße, Nerven bzw. anderer Weichteile oder Gelenke des Bewegungsapparates hauptsächlich durch die Arbeit selbst verursacht oder verschlimmert werden. Arbeitsbedingte Muskel- und Skeletterkrankungen sind meist kumulative Störungen infolge chronischer Arbeitsbelastungen.

Belastungen und Risikofaktoren

Soziodemografische Merkmale, Firmengröße, Branche und Beruf gelten als viel weniger wichtig als Arbeitsanforderungen und Ressourcen. 

Zu physischen und biomechanischen Risikofaktoren zählen unter anderem

  • manuelle Handhabung von Lasten, insbesondere beim Beugen und Drehen des Körpers
  • gleichförmig wiederholte (repetitive) oder kraftbetonte Bewegungen
  • ungünstige und statische Körperhaltungen und -bewegungen
  • Erschütterungen (z.B. Ganzkörper- und Hand-Arm-Vibration)
  • mangelhafte Beleuchtung oder kalte Arbeitsumgebungen
  • schnell getaktete Arbeitsabläufe
  • längeres Sitzen oder Stehen in derselben Position (einseitige Belastung)
  • geringe physische Aktivität am Arbeitsplatz („Bewegungsarmut“)

Zu organisatorischen und psychosozialen Risikofaktoren zählen unter anderem

  • hohe Arbeitsanforderungen und geringe Autonomie
  • keine Pausen oder keine Möglichkeiten, die Arbeitshaltungen zu verändern
  • hohe Arbeitsdichte, hohes Arbeitstempo, Zeitdruck
  • lange Arbeitszeiten oder Schichtarbeit
  • Mobbing, Belästigung und Diskriminierung am Arbeitsplatz
  • geringe Arbeitszufriedenheit
  • geringe soziale Unterstützung (inkl. Information)
  • Konflikte zwischen Arbeit und Privatleben

Ganz allgemein gelten als Risikofaktoren, die MSE erhöhen, alle psychosozialen und organisatorischen Faktoren (insbesondere in Kombination mit physischen Risiken), die zu Stress, Erschöpfung, Angstzuständen oder anderen Reaktionen führen können.

Zu individuellen Risikofaktoren zählen unter anderem

  • Krankheitsvorgeschichte
  • körperliche Leistungsfähigkeit
  • Lebensweise und Gewohnheiten (z.B. Rauchen, fehlende körperliche Bewegung, hoher Body-Mass-Index)

Dies und mehr findet sich auf der Website der EU-OSHA.

Die Arbeitsinspektion stellt Interessierten eine Checkliste zur Beurteilung von Belastungen bei Jugendlichen und Erwachsenen zum Download zur Verfügung. 

Ganzheitlicher Präventionsansatz

Ein ganzheitlicher Präventionsansatz, mit einer sinnvollen Verknüpfung von Partizipation und multidisziplinären Herangehensweise, kann die Multikausalität von MSE aufgreifen.  Dabei werden verschiedene Risikofaktoren nicht einzeln betrachtet, sondern gemeinsam in Verbindung gebracht und Arbeitsbedingungen mit einer Kombination an organisatorischen, technischen und persönlichen Maßnahmen verbessert.

Im  Merkblatt Muskel- und Skeletterkrankungen im Gesundheitsschutz (PDF, 0,1 MB) geht die Arbeitsinspektion auf den ganzheitlichen Präventionsansatz ein und gibt einen Überblick über physische, organisatorische, psychosoziale und individuelle Belastungen und Risikofaktoren von Muskel- und Skeletterkrankungen. Zusätzlich werden beispielhaft Maßnahmen (organisatorische, administrative, technische etc.) aufgezeigt, durch die eine Reduktion von Muskel- und Skeletterkrankungen erreicht werden kann. Zudem enthält es Tipps für betriebliche Umsetzungsstrategien.  

Wichtige Aspekte der Prävention arbeitsbedingter Muskel- und Skeletterkrankungen werden auf einfache Weise im  Kurzvideo der EU-OSHA Kampagne vorgestellt. Es zeigt, wie effizient einfache Präventivmaßnahmen bei der Bekämpfung der schmerzhaften Erkrankungen sind.

Verbesserungen der ergonomischen Arbeitsbedingungen erfolgen durch eine ganzheitliche Betrachtung der Arbeitsplätze und der daraufhin gesetzten, ineinandergreifenden Maßnahmen.

Betriebliche Good Practices aus Österreich

Schwerpunkte zum Thema Muskel- und Skeletterkrankungen

EU-OSHA führte von Oktober 2020 bis Oktober 2022 eine Kampagne zum Thema Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE) mit dem Titel „Gesunde Arbeitsplätze – entlasten Dich!“ durch.

Die Arbeitsinspektion unterstützte diese Kampagne mit einer breit angelegten Beratungsoffensive, einem Beratungs- und Kontrollschwerpunkt mit dem Fokus auf Jugendliche und junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie mit der Durchführung des MSE-Schwerpunktes des Ausschusses Hoher Arbeitsaufsichtsbeamter (SLIC) 2022.

Nähere Informationen zu den Schwerpunkten, Ergebnisse, Erfahrungen der Arbeitsinspektorinnen und Arbeitsinspektoren und praktische Lösungen enthält der Bericht Muskel- und Skeletterkrankungen – Initiativen der Arbeitsinspektion 2021 und 2022.

Den zusammenfassenden Abschlussbericht in englischer Sprache zur Europäischen Kampagne finden Sie auf der PUBLIC-CIRCABC -Web-Site: SLIC MSD Campaign 2022_Final Report_final version.pdf.

Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) setzte 2021 - 2022 ebenfalls im Rahmen der EU-OSHA Kampagne einen Schwerpunkt zur Prävention arbeitsbedingter Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE). Was sind arbeitsbedingte MSE? Was sind Arten und Ausprägungsformen von MSE? Wer ist betroffen? Kompakte Antworten auf diese Fragen und weiterführende Möglichkeiten für Betriebe sich beraten zu lassen finden Sie unter "Packen wir's an!"

Muskel- und Skeletterkrankungen bei sitzender Tätigkeit

Langes Sitzen kann für den menschlichen Körper gefährlich werden. Besonders Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Bildschirmarbeitsplätzen sind betroffen.

Die Prävention von MSE ist auch im Homeoffice von besonderer Bedeutung. Durch Telearbeit bedingte MSE betreffen in der Regel den unteren Rücken, Nacken, Schultern, Arme, Hände und Handgelenke. Die Ursachen sind multifaktoriell, wobei ergonomische, organisatorische, umgebungsbedingte und psychosoziale Faktoren eine Rolle spielen.

Auf der Website der Arbeitsinspektion befinden sich umfangreiche Informationen zu Telearbeit und Homeoffice.

Die EU-OSHA Kampagne hat einen Schwerpunkt auf Telearbeit gelegt, Informationsmaterial für Arbeitnehmende und Arbeitgebende finden Sie unter Healthy Workplaces LIGHTEN THE LOAD 2020-22.

MSE und Psyche

60% der europäischen Arbeitnehmenden mit mindestens einem Gesundheitsproblem, geben MSE als ihr schwerwiegendstes Gesundheitsproblem an. Psychische Faktoren wie Stress, Angststörungen und Depressionen kommen mit 16% an zweiter Stelle (EU-OSHA, 2020).
Besonders zu betonen ist an dieser Stelle, dass einige psychische Faktoren mit MSE in Zusammenhang stehen. Gefährliche psychische Belastungen können die Auftrittswahrscheinlichkeit von Muskel- und Skeletterkrankungen erhöhen und deren Verlauf negativ beeinflussen.
Dies zeigt sich beispielsweise bei der Verlangsamung der Geweberegeneration, welche durch die Hormonausschüttung bei arbeitsbedingtem, psychischen Stress ausgelöst wird. Diese durch psychischen Stress verursachte Verlangsamung der Geweberegeneration erhöht das Risiko für eine Erkrankung des Muskel-Skelett-Systems (EU-OSHA, 2022).
Die Berücksichtigung von psychosozialen Faktoren wie beispielsweise mangelnder Tätigkeitsspielraum, fehlende Selbstwirksamkeit, belastende soziale Interaktion, organisationale Gerechtigkeit, Belästigung bei der Arbeit sowie die Möglichkeit zur Handlungs- und Emotionsregulation können ebenso Teil der Lösung sein wie regelmäßige Bewegung, Reduktion der Häufigkeit manueller Lastenhandhabung und die Verwendung ergonomischer Werkzeuge.
Die EU-OSHA-Kampagne hat einen Schwerpunkt auf das Thema psychosoziale Risiken und MSE gelegt. Informationsmaterialien finden Sie unter "Gesunde Arbeitsplätze - entlasten Dich".

Weiterführende Informationen

Letzte Änderung am: 05.02.2024