Berufskrankheiten

Berufskrankheiten sind Schädigungen der Gesundheit durch eine versicherte Tätigkeit, die durch die gesetzlichen Unfallversicherungsträger entschädigt werden. Sie sind meist chronisch verlaufende Erkrankungen, deren Ursachen vorwiegend monokausal bewertet werden und die durch Arbeitsverfahren oder zu verarbeitende Arbeitsstoffe entstehen.

Beruflich bedingte Erkrankungen sind seit vielen Jahrhunderten bekannt (z.B. Staublungenerkrankung im Bergbau, Vitamin-C-Mangel-Erkrankung Skorbut bei Seeleuten). Dennoch wird auch heute noch bei vielen Erkrankungen der mögliche Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit übersehen.

Der Begriff „Berufskrankheit“ entstand im 19. Jahrhundert und sollte erkrankten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei eingetretener Arbeitsunfähigkeit durch (meist sehr schwere) Beeinträchtigungen finanziell das Überleben sichern und die Auseinandersetzung mit der Arbeitgeberin/dem Arbeitgeber über deren/dessen fraglich schuldhaftes Verhalten hintanstellen.

Welche Erkrankungen in Österreich als Berufserkrankungen gelten, ist in § 177 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) geregelt.

Für die Überarbeitung und Aufnahme von neuen Berufskrankheiten ist das Gesundheitsministerium zuständig.

Die Folgen von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren können nur dann eine Berufskrankheit begründen, wenn ein Verdacht auf eine Berufskrankheit gemeldet und die Berufskrankheit im danach folgenden Verfahren anerkannt wird.

Liste der anerkannten Berufskrankheiten

Die Liste der anerkannten Berufskrankheiten ist dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) als Anlage 1 beigefügt. Durch eine Generalklausel stehen auch Krankheiten unter Versicherungsschutz, die nicht in dieser Liste enthalten sind; sie müssen nachweisbar berufsbedingt sein und durch schädigende Stoffe oder Strahlen hervorgerufen werden.

Mit 1.3.2024 trat eine ASVG-Novelle in Kraft. Mit dieser Novelle wurde die Berufskrankheitenliste um vier Krankheiten erweitert:

  • das Hypothenar- bzw. Thenar-Hammersyndrom – eine Durchblutungsstörung der Hand in Folge schlagartiger Bewegungen,
  • fokale Dystonien (neurologische Erkrankungen, die zu Muskelkrämpfen bzw. Bewegungsstörungen führen) bei Instrumentalmusikern,
  • das Plattenepithelkarzinom und aktinische Keratosen der Haut durch UV-Exposition sowie
  • das Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs) nach Asbestexposition.

Abgesehen von der Neuaufnahme der vier oben angeführten Berufskrankheiten wurde die BK-Liste auch komplett neu strukturiert. Die Berufskrankheiten werden nun in acht Gruppen unterteilt:

  • Erkrankungen der Atemwege und der Lunge
  • Erkrankungen der Haut
  • Infektionskrankheiten, Erkrankungen durch Parasiten, Tropenkrankheiten
  • Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates
  • Durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten
  • Durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten
  • Maligne Erkrankungen und
  • Sonstige

Weitere Informationen, insbesondere hinsichtlich der Leistungen der Unfallversicherung aufgrund dieser Erkrankungen, finden Sie auf der Webseite der AUVA.

Auslöser für Berufskrankheiten sind beispielhaft

  • gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe wie Blei, Toluol, Trichlorethan, Arsen, Benzol, Phosphor, Quecksilber
  • physikalische Einwirkungen wie Lärm, ständiger Druck, Erschütterungen, Strahlung
  • Infektionserreger wie Hepatitis A, B oder C, Salmonellen, Tuberkulose
  • Stäube, welche die Atemwege oder Lunge belasten, wie Quarzstaub, Asbest und Hartmetallstaub
  • Hautkrankheiten wie akutes oder chronisches Hautekzem, z.B. bei Frisörinnen und Frisören oder bei im Reinigungsgewerbe Beschäftigten
  • allergische Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale durch z.B. Mehlstaub oder Isocyanate

Beispiele für anerkannte bzw. bemerkenswerte Berufskrankheiten

Hauterkrankungen (BK 2.1)

  • Eine Arbeitnehmerin, die für die Bedienung einer Fräsmaschine in einem großen metallverarbeitenden Betrieb zuständig ist, leidet seit kurzer Zeit unter Ekzemen an beiden Händen und Unterarmen. Es wurde festgestellt, dass das verwendete Kühlschmiermittel Methylisothiazolinon (MIT) enthält, welches allergisierende Kontaktdermatitiden hervorrufen kann. Die betroffene Arbeitnehmerin wurde positiv auf MIT getestet. Sie hat ihre Tätigkeit aufgegeben und ist nun in der Logistik beschäftigt.

Vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen (Weißfinger-Syndrom) (BK 5.2.1)

  • Ein Forstarbeiter, der jahrelang mit vibrierenden Werkzeugen (insbesondere Motorsägen) gearbeitet hat, leidet unter einer Gefäßerkrankung (Raynaud-Syndrom), die durch anfallsweises Erblassen der Hände und durch Schmerzen in Erscheinung tritt.

Bösartige Neubildungen der Lunge durch die Einwirkung von kristallinem Siliziumdioxid bei Silikose (Lungenkrebs) (BK 7.1.3)

  • Ein Arbeitnehmer, der als Steinmetz der Einwirkung von Quarzstaub ausgesetzt war, erkrankte zuerst an einer Silikose (Staublungenerkrankung) und schließlich an Lungenkrebs.

Erkrankungen der tieferen Luftwege und der Lunge durch Aluminium oder seine Verbindungen (BK 1.4)

  • Ein Arbeitnehmer, der viele Jahre vorwiegend als Aluminiumschweißer im Fenster- und Fassadenbau tätig war, leidet an einer chronischen Lungenerkrankung, die durch die Ablagerung von Aluminiumstäuben verursacht wurde (Pneumokoniose).

Durch allergisierende Stoffe verursachte Erkrankungen an Asthma bronchiale (einschließlich Rhinopathie) (BK 1.6)

  • Bei einer Arbeitnehmerin brach noch während ihrer Tischlerlehre ein Asthma bronchiale durch die Einwirkung von Holzfeinstäuben aus.
  • Bei einer Bäckerin kam es bereits in den ersten Berufsjahren zu Augenrinnen und Juckreiz an den Händen, wenn sie der Einwirkung von Mehl ausgesetzt war. Schließlich traten trotz Therapie deutliche Atembeschwerden auf.

Durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit (BK 5.1.1)

  • Ein Schlosser, der zusätzlich als Discjockey arbeitet und auch bei dieser Tätigkeit einer Lärmeinwirkung ausgesetzt ist, weist auf einem Ohr bereits einen massiven Hörverlust auf und leidet an einem Tinnitus (Ohrgeräusch).

Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lunge (BK 1.7)

  • Husten und zunehmende Atemnot führten eine Arbeitnehmerin, die bei der Lackherstellung einer Einwirkung von isocyanathältigen Härtern ausgesetzt war, zur lungenfachärztlichen Begutachtung. Es wurde eine Erkrankung der tieferen Atemwege mit einer deutlichen Funktionseinschränkung diagnostiziert.
  • Ein Arbeitnehmer, der in einer Schiffswerft tätig ist, leidet an einer BK 1.7. Der Arbeitnehmer führt seit mehr als 10 Jahren Schweißarbeiten im Rumpfbereich von Schiffen durch. Es wird das MAG-Verfahren (Metallaktivgas) mit einem Gemisch aus Argon und Helium verwendet. Für den Arbeitnehmer kann ein Platz im Lager gefunden werden, wo er keiner Einwirkung von inhalativen Stoffen mehr ausgesetzt ist.

Adenokarzinome der Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen durch Staub von Hartholz (BK 7.5.1)

  • Ein Arbeitnehmer, der 20 Jahre lang in einer Tischlerei beschäftigt ist, weist ein Adenokarzinom der Nasennebenhöhlen auf. Verwendet wurden immer jene Hölzer, die für die Möbelproduktion dem Modetrend entsprachen,ein beträchtlicher Anteil des verarbeiteten Holzes betraf aber immer auch Buchenholz. Der Arbeitnehmer ist mittlerweile als Produktionsleiter tätig und daher nicht mehr regelmäßig der Einwirkung von Holzstaub ausgesetzt.
  • Eine Frau litt viele Monate unter chronischem Fließ-Schnupfen. Sie wurde vom Lungenfacharzt als Allergikerin diagnostiziert und es sollte eine Immuntherapie begonnen werden. Die Betroffene wollte aber vor dieser Therapie noch einen HNO-Facharzt aufsuchen und tat dies auch. Es wurde ein Adenokarzinom festgestellt und eine Operation sowie Bestrahlungen durchgeführt. Niemand stellte den Verdacht einer Berufskrankheit, weil die Betroffene die letzten Jahre im Verkauf tätig war und sich selbst beim Erzählen der Anamnese auch nur auf die beruflichen Tätigkeiten der letzten Jahre beschränkte. Die Äußerung eines Arztes, dass es sich hierbei eigentlich um eine Staubnase handelt, ließ die Tochter der Frau aktiv werden. Sie konnte sich erinnern, dass die Mutter in einer Tischlerei gearbeitet hatte. Dort war die Betroffene ca. fünf Jahre an einem Handschleifarbeitsplatz tätig.

Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische (Schädigung des Nervensystems) (BK 6.2.12)

  • Eine Textildruckerin war jahrelang in der Siebdruckreinigung beschäftigt und der Einwirkung von organischen Lösungsmitteln bei unzureichender Erfassung der Dämpfe durch lüftungstechnische Maßnahmen ausgesetzt.

Anaphylaktische Reaktionen nach Latex-Exposition (Latexallergie) (BK 8.1)

  • Eine zahnärztliche Assistentin entwickelte eine Allergie auf Latex und litt dadurch unter anfallsartiger Atemnot insbesondere auch bei der Verwendung von Desinfektions- und Reinigungsmitteln.

Die überwiegende Anzahl der hier angeführten Berufskrankheiten führte dazu, dass die Betroffenen ihren Beruf aufgeben mussten. 

Verfahren zur Anerkennung von Berufskrankheiten

Behandelnde Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit binnen fünf Tagen dem zuständigen Träger der Unfallversicherung zu melden. Die Meldung kann aber auch durch die Arbeitgeberin/den Arbeitgeber (im Falle einer Arbeitskräfteüberlassung obliegt die Meldepflicht der Beschäftigerin/dem Beschäftiger) oder die/den Betroffenen selbst erfolgen.

Formularangebot zur Erstattung einer ärztlichen Meldung einer Berufskrankheit und eines Mesothelioms

Formularangebot zur Erstattung einer Meldung einer Berufskrankheit durch das Unternehmen

Im Rahmen eines Begutachtungsverfahrens wird festgestellt, ob

  • eine Anerkennung durch die Unfallversicherung,
  • eine Rentenzahlung bei Minderung der Erwerbsfähigkeit

erfolgen kann.

Hauterkrankungen und Asthma bronchiale können per Gesetz nur dann als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn die schädigende Tätigkeit aufgegeben wird.

Nach der Generalklausel können Krankheiten im Einzelfall als Berufskrankheit anerkannt werden. Sie müssen nachweislich berufsbedingt sein und die Unfallversicherung auf Grund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse feststellen, dass die Krankheit ausschließlich oder überwiegend durch die Verwendung gesundheitsgefährdender Stoffe oder Strahlen entstanden ist. Diese Feststellung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Gesundheitsministerin bzw. des Gesundheitsministers.

Wie können Berufskrankheiten verhindert werden?

Im Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz sind u.a. folgende Maßnahmen vorgesehen:

  • Ersatz von gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen
  • Kapselung von Anlagen/Maschinen
  • Erfassung von Dämpfen und Stäuben durch funktionstüchtige Absauganlagen
  • Einführung von medizinischen Instrumenten mit integrierten Sicherheits- und Schutzmechanismen anstelle von konventionellen Systemen im Krankenhaus- und Gesundheitswesen
  • ausreichende und nachweisliche Information und Unterweisung der Beschäftigten über die Gefahren am Arbeitsplatz
  • Verbot der Nahrungsaufnahme am Arbeitsplatz
  • hygienische Maßnahmen wie z.B. Händewaschen vor der Nahrungsaufnahme, ausreichende Körperreinigung nach Beendigung der Arbeit, Tragen von Arbeitskleidung
  • Schutzmaßnahmen gegen Lärm, Vibrationen und optische Strahlung
  • ergonomische Arbeitsplatzgestaltung

Anzahl der anerkannten Berufskrankheiten

In den Tätigkeitsberichten der Arbeitsinspektion werden vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, Sektion Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat, die Anzahl der anerkannten Berufskrankheiten, aufgegliedert nach Branchen und Geschlecht, veröffentlicht.

Im Jahr 2022 wurden 8.349 Krankheitsfälle als Berufskrankheit anerkannt. Die häufigsten anerkannten Berufskrankheiten betrafen:

  • Lärmschwerhörigkeit: 635
  • Asbestose, bösartige Neubildungen durch Asbest: 100
  • Hauterkrankungen: 88
  • Erkrankungen der Atemwege durch chem.-irritative oder toxische Stoffe: 58 und
  • durch allergisierende Stoffe verursachte Erkrankungen an Asthma bronchiale: 34.

Im Jahr 2022 wurden 7.348 (2021: 5.700) Infektionskrankheiten als Berufskrankheit anerkannt. Der Grund für den massiven Anstieg ist die Einstufung von COVID-19 als Berufskrankheit für gewisse Berufsgruppen im medizinischen Bereich.

In 69 Fällen verliefen die Berufskrankheiten tödlich (45 davon entfielen auf Auswirkungen durch Asbest). 

Weiterführende Informationen

Schwerpunkte der Arbeitsinspektion:

  • Fokustage „Bau“ 2021: Durch ständig wechselnde Arbeitsumgebungen und Gefahren, wie Witterungsbedingungen und geologische Risiken, besteht auf Baustellen ein erhöhtes Risiko von Verletzungen und Berufskrankheiten.
  • Schwerpunktaktion mineralische Stäube im Bergbau 2021-2022 (PDF, 1,0 MB) : Die Bergbaubranche weist die höchste Anzahl der durch Quarzfeinstaub verursachten anerkannten tödlichen Berufskrankheitsfälle auf.
  • Fokustage „Lärm“ 2022: Lärmschwerhörigkeit ist eine der häufigsten Berufskrankheiten, die nicht nur volkswirtschaftlich beträchtlichen Schaden anrichtet, sondern auch einen immensen Verlust an Lebensqualität für die Betroffenen bedeutet.

Österreichische Sozialversicherung

Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs


Letzte Änderung am: 22.08.2024