Historisches
Eine kleine Geschichte der Arbeitsinspektion
"Wenn du ein neues Haus baust, sollst du um die Dachterrasse eine Brüstung ziehen. Du sollst nicht dadurch, dass jemand herunterfällt, Blutschuld auf dein Haus legen."
(5. Buch Mose, Kapitel 22, Vers 8)
Die gesetzliche Grundlage für die Schaffung der Arbeitsinspektion, wie wir sie heute kennen, geht auf das Jahr 1883 zurück. Schon damals wurde die Notwendigkeit erkannt, gesetzliche Regelungen zum Schutz der arbeitenden Menschen festzulegen und deren Einhaltung durch eine Behörde zu überwachen. Sowohl die gewerbliche Wirtschaft als auch der Österreichische Handelskammertag traten für die Einführung einer solchen Aufsicht durch objektiv agierenden Staatsbeamten ein.
Die „Gewerbeinspectoren“ waren damals beim Handelsministerium angesiedelt und den politischen Landesbehörden unterstellt. Es gab 9 Aufsichtsbezirke: Wien, Linz, Budweis, Prag, Reichenberg, Brünn, Lemberg, Bozen, Graz. Am 1. Februar 1884 nahmen die ersten „Gewerbeinspectoren“ ihre Arbeit auf.
§ 5 regelte ihre Aufgaben: die Überwachung der Durchführung der gesetzlichen Vorschriften, betreffend:
„1. Die Vorkehrungen und Einrichtungen, welche die Gewerbeinhaber zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter sowohl in den Arbeitsräumen, als in den Wohnräumen, falls sie solche beistellen, zu treffen verpflichtet sind;
2. die Verwendung von Arbeitern, die tägliche Arbeitszeit und die periodischen Arbeitsunterbrechungen;
3. die Führung von Arbeiterverzeichnissen und das Vorhandensein von Dienstordnungen, die Lohnzahlungen und Arbeiterausweise;
4. die gewerbliche Ausbildung der jugendlichen Hilfsarbeiter.“
Für jeden Aufsichtsbezirk wurde zunächst nur ein einziger „Gewerbeinspector" bestellt, weshalb kaum ein Prozent der Unternehmungen inspiziert werden konnte.
1903 waren es bereits 31 Aufsichtsbezirke:
Bis zum Ersten Weltkrieg wurden die Aufsichtsbezirke immer wieder verkleinert und ihre Anzahl vermehrt, sodass im Jahr 1911 insgesamt 42 Aufsichtsbezirke eingerichtet waren. Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren im Außendienst insgesamt 119 und in den Kanzleien 43 Personen tätig.
Der Zeitraum des Ersten Weltkriegs war durch eine Aufweichung der Schutzbestimmungen gekennzeichnet. Die Gewerbeinspektoren konnten aufgrund der Belastung mit kriegsnotwendigen Tätigkeiten und dem Fehlen der zum Kriegsdienst einberufenen Beamten ihrer Kontrolltätigkeit fast nicht mehr nachkommen.
Bis zum 31. Dezember 1917 blieb die Gewerbeinspektion dem Handelsministerium unterstellt und wurde mit 1. Jänner 1918 dem Ministerium für soziale Fürsorge eingegliedert. Das 1917 geschaffene Ministerium für soziale Fürsorge wurde 1918 durch das Staatsamt für soziale Fürsorge abgelöst, welches 1919 in das Staatsamt für soziale Verwaltung und schließlich 1920 in das Bundesministerium für soziale Verwaltung überging.
Die nachfolgenden Jahre waren durch eine lang andauernde Wirtschaftskrise mit großer Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Trotz dieser Widrigkeiten wurde vor allem durch Sozialminister Ferdinand Hanusch und auch durch seinen Nachfolger die Sozialgesetzgebung ausgebaut und einige wichtige Schutzbestimmungen erlassen.
Erst 1921, nach fast 40 Jahren, wurde die gesetzliche Grundlage der Gewerbeinspektion neu geschaffen. Der fachliche Wirkungskreis der Gewerbeinspektoren wurde erweitert, das Zutrittsrecht wurde genauer geregelt, die Einsicht in Aufzeichnungen wurde erleichtert, und die Gewerbeinspektoren konnten Proben von Arbeitsstoffen nehmen. Genauer geregelt wurde auch die Möglichkeit der Strafanzeige und der Parteistellung im Strafverfahren, die Teilnahme an Genehmigungen und Verfügungen bei Gefahr.
Nach dem Verlust der Eigenständigkeit Österreichs im Jahr 1938 wurde versucht, die österreichische Gewerbeinspektion an die Verhältnisse der deutschen Gewerbeaufsichtsämter anzugleichen. Auch in Österreich wurden während des Zweiten Weltkriegs die Gewerbeaufsichtsämter zu Arbeiten herangezogen, die ihnen und ihrem Aufgabenkreis fremd waren. Um die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen in den Betrieben kümmerte sich in erster Linie die Deutsche Arbeitsfront (DAF). Sie betrachtete Verstöße gegen die Richtlinien im Sinne des „Totalen Krieges“ als Vaterlandsverrat.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Gewerbeaufsichtsämter aufgelöst und die Geschäfte den Gewerbeinspektoraten übertragen. Diese wurden dem Staatsamt für soziale Verwaltung zugeordnet und dort ein Zentralgewerbeinspektorat eingerichtet. Am 3. Juli 1947 beschloss der österreichische Nationalrat das neue Arbeitsinspektionsgesetz. Der Wirkungsbereich der Aufsichtsbehörde wurde erweitert und aus diesem Grund auch die umfassendere Bezeichnung „Arbeitsinspektion“ gewählt. Weiters wurde in diesem Gesetz bestimmt, dass die Schutzvorschriften der Gewerbeordnung für alle Betriebe gelten sollen, die in die Zuständigkeit der Arbeitsinspektion fallen, auch wenn für diese die Gewerbeordnung selbst nicht anzuwenden ist (z.B. Theater, Kraftwerke, Kanzleien).
Am 31. März 1949 trat Österreich dem Übereinkommen Nr. 81 über die Arbeitsaufsicht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bei, welches festlegt, dass das Aufsichtspersonal hat aus öffentlichen Beamten zu bestehen hat, deren Stellung Unabhängigkeit von unzulässigen äußeren Einflüssen verbürgt. Weiters sieht es vor, dass die Aufsichtsorgane eine zielgerichtete Ausbildung erhalten und fachlich geeignet sein müssen. Die umfassende mehrjährige dienstliche Ausbildung der Arbeitsinspektoren und Arbeitsinspektorinnen wurde in eigenen Verordnungen festgelegt.
Mit dem EU-Beitritt am 1. Jänner 1995 verbunden war auch die österreichische Mitgliedschaft in EU-Gremien. In dem seit 1982 bestehenden „Ausschuss Hoher Arbeitsaufsichtsbeamter – SLIC“ wird seitdem von Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitsinspektion mitgearbeitet.
Mit einer Ende des Jahres 1995 in Kraft getretenen Novelle zum Arbeitsinspektionsgesetz 1993 wurde der Beratungsauftrag im Einklang mit dem Selbstverständnis der Arbeitsinspektion als moderne Dienstleistungseinrichtung noch weiter betont. Darauf aufbauend wurde in den darauffolgenden Jahren notwendige Änderungen vorgenommen, z.B. wurden ab 2017 größere Einheiten geschaffen und Aufsichtsbezirke zusammengelegt, da langfristig nur dadurch das erforderliche Know-how erweitert werden kann und der Wissenstransfer optimiert werden kann.
Letzte Änderung am: 05.11.2021