Good Practice

Mithilfe organisatorischer und technischer Maßnahmen konnte eine psychiatrische Krankenanstalt Gewalt gegen Stationspersonal reduzieren. Der folgende Beitrag beschreibt, wie das gelingen konnte.

Umgang mit Gewalt gegen Gesundheitspersonal (Patientenbetreuung Forensik) 

Ausgangssituation

In der forensischen Station einer psychiatrischen Krankenanstalt werden psychisch kranke männliche Straftäter als Lang­zeitpatienten stationär aufgenommen und in offenen und geschlossenen Bereichen medizinisch betreut. Aufgrund ihrer psychotischen Erkrankungen gelten sie als nicht zurechnungsfähig. Das Stationspersonal ist wie meist im Gesundheitsbereich überwiegend weiblich. Besondere Maßnahmen zur Gefahrenverhütung aufgrund der erschwerten Patientenbetreuung wurden in der Vergangenheit nicht getroffen, obwohl die erschwerte Betreuung der männlichen Psychiatriepatienten bekannt war und die Frauen häufig mit Gewaltvorfällen konfrontiert waren.

In der Station wurden Arbeitsunfälle mit zunehmend, teils schweren Verletzungen beobachtet -  häufig verursacht durch Übergriffe psychotischer Patienten. Die Unfallursachen wurden zwar erkannt, die Verletzungen aber als Berufsrisiko ein­geschätzt, das in Kauf genommen werden müsse. Es wurden daher auch nicht immer Unfallmeldungen erstattet. Beina­he-Unfälle waren kein Thema. Auf Initiative der betrieblichen Arbeitsmedizin wurden aber schließlich mit Unterstützung des arbeitsinspektionsärztlichen Dienstes, Gefahrenverhütungsmaßnahmen entwickelt.

Verbesserungsmaßnahmen und Lösungsansätze

Die Arbeitsmedizin hat zusammen mit dem Betriebsrat und unter Einbindung der Sicherheitsfachkraft die Arbeitsunfälle und Beinahe-Unfälle in dieser Station erhoben und näher untersucht. Unfallmeldungen wurden nun konsequent an die AUVA wei­tergeleitet, auch hinsichtlich Bagatellverletzungen (die wie Nadelstichverletzungen oft nicht als relevant beurteilt werden).


Die Unfallursachen wurden genauer analysiert, dabei wurden die unterschiedlichsten Auslöser für die Übergriffe festge­stellt. Zum Beispiel waren es bestimmte Worte oder Anordnungen, die als „Trigger“ für einen tätlichen Angriff erkannt wurden. Da die Unfallursachen der Beschäftigten in der forensischen Station sehr patientenspezifisch waren, wurden neben Deeskalationsmaßnahmen (Schulungen durch internes Personal) auch „Abwehrgriffe“ zur Selbstverteidigung durch externe Fachleute (v.a. Polizei) geschult. 

Zudem wurden organisatorische Maßnahmen getroffen, wie die Anweisung nur zu zweit/zu dritt – aber nie alleine – Zimmer von Patienten zu betreten. Die „Meldemoral“ wurde verbessert und auch Vorkomm­nisse wie Beinahe-Unfälle einbezogen.  

Zusätzlich erfolgten technische Verbesserungen, etwa verpflichtendes Tragen eines Alarmknopfes (wie eine Uhr am Handgelenk zu tragen – somit kann in einer Situation, in der kein Zugriff zum Diensthandy besteht, durch Anstoßen an die Wand, ans Bett usw. Alarm ausgelöst werden), Ecken im Gangbereich wurden durch Spiegel einsehbar gemacht. Vermehrte Teambesprechungen zur besseren wechselseitigen Information über die aktuellen Krankheitssituationen der forensischen Patienten werden nun durchgeführt, zudem erfolgen regelmäßige engmaschige Alarmübungen.

Durch diese an unterschiedlichen „Hebeln“ ansetzenden Gefahrenverhütungsmaßnahmen konnten die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem speziellen Krankenanstaltenbereich deutlich sicherer gestaltet und die hohen Belastungen der forensischen Patientenbetreuung verringert werden. Während in der Vergangenheit die erschwerte und teilweise auch gefährliche Arbeitssituation des überwiegend weiblichen Stationspersonals kaum beachtet oder Belas­tungen gar nicht erst als solche erkannt wurden, wird nun ein Gewaltpräventionskonzept umgesetzt, das Arbeitsunfällen oder Beinaheunfällen durch Gewaltvorfälle in einer geeigneten Weise entgegenwirkt. Dies konnte v.a. auch durch Beteili­gung der Beschäftigten und Kooperation der Präventivfachkräfte mit dem Betriebsrat erreicht werden.

FAQ

Was ist das Ziel der Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen?

Das Ziel ist eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit (Aufgabenanforderungen und Tätigkeiten, Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation, Soziales- und Organisationsklima und Arbeitsumgebung) zum Erhalt und zur Förderung der Gesundheit der Beschäftigten.


Mehr Informationen unter:

https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Uebergreifendes/Good_Practice/Good_Practice.html

https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Gesundheit_im_Betrieb/psychische_Belastungen/FAQ_Evaluierung_psychische_Belastungen.html




Letzte Änderung am: 06.12.2022