2013-2016: Mobile Pflege

Beschäftigte der mobilen Pflege und Betreuungsdienste leisten unter schwierigen Arbeitsbedingungen wertvolle Arbeit sowohl für jene Menschen, die Unterstützung und Hilfestellung benötigen, als auch für deren Angehörige und die Gesellschaft insgesamt. Sie übernehmen damit eine Schlüsselrolle in der Versorgung und qualitätsvollen Betreuung und Pflege.

Die systematische Wahrnehmung von Sicherheit und Gesundheitsschutz führt zu einer gesundheitsförderlichen und alternsgerechten Arbeitsorganisation, wodurch die Fluktuation von Arbeitskräften vermindert und die Attraktivität für Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger erhöht wird.

Von der Arbeitsinspektion wird die Schwerpunktaktion in dieser wichtigen, von weiblichen Beschäftigten dominierten Branche durchgeführt, mit dem Ziel, physische und psychische Gefahren frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen der Prävention umzusetzen.

Heimhelferinnen/Heimhelfer und Pflegekräfte in der mobilen Pflege und Betreuung sind aufgrund der hohen Anforderungen und spezifischen Rahmenbedingungen einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Neben körperlichen Belastungen sind es vor allem psychische Belastungen, die sich negativ auf ihre Gesundheit auswirken können. Durch den zunehmenden Zeit- und Arbeitsdruck und die mangelnde Anerkennung werden die Belastungen häufig noch verstärkt. Die Folgen sind Unzufriedenheit, Burn-Out, hohe Fehlzeiten, Fluktuation und ein vorzeitiger Berufsausstieg. Nicht zuletzt wirken sich die Belastungen auch auf die Qualität der Arbeit aus. Umso wichtiger sind daher Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung menschengerechter Arbeitsbedingungen in diesem Arbeitsbereich.

Im Rahmen dieses Schwerpunktes wird von der Arbeitsinspektion eine Orientierungshilfe zur systematischen Umsetzung der Arbeitsplatzevaluierung, " Mobile Pflege und Betreuung - Sicher und Gesund (PDF, 3,7 MB) ", ein Leitfaden für die Ermittlung von physischen und psychischen Belastungen, veröffentlicht.

Der Leitfaden wurde in Zusammenarbeit von MitarbeiterInnen der Mobilen Dienste wie Caritas ED Wien, Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen, Diakonie, Hilfswerk Östereich und NÖ, Österreichisches Rotes Kreuz, Volkshilfe NÖ sowie der Arbeiterkammer NÖ, der Arbeitsinspektion und des Zentral-Arbeitsinspektorates sowie unter Berücksichtigung von Anregungen des ASBÖ-Wien erstellt.

Im Leitfaden "Mobile Pflege und Betreuung - Sicher und Gesund" wird auf die Themenbereiche

  • Ergonomisches Arbeiten
  • Psychische Belastungen
  • Gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe
  • Betreuungsort und Weg zum Betreuungsort
  • Mutterschutz


eingegangen.

Umsetzung der Schwerpunktaktion in den Betrieben

Um die Situation der ArbeitnehmerInnen dieser sensiblen und vergleichsweise jungen Branche zu erheben, das Wissen um die auftretenden Probleme zu verbessern und Maßnahmen für die Zukunft abzuleiten, wurde bundesweit eine Schwerpunktaktion der Arbeitsinspektion durchgeführt. Sie erfolgte – unterstützt durch einen eigens dafür entwickelten Leitfaden – in zwei Phasen: In der ersten Phase (zwischen September 2013 und Februar 2014) wurden insgesamt 321 Beratungen und Kontrollen der Einhaltung des Arbeitsschutzrechts durchgeführt. In der zweiten Phase (September 2014 bis Februar 2015) wurden 100 Arbeitsstätten ein zweites Mal besucht und bewertet, ob und in welchem Ausmaß die besichtigten Organisationen die beanstandeten Umstände und identifizierten Probleme beseitigt hatten.

In Phase 1 wurden 195 Stützpunkte, 97 Zentralen kleiner Organisationen, sowie sämtliche Zentralen der „großen“ Trägerorganisationen (29) besichtigt. In Phase 2, wurde in 48 Stützpunkten, 23 Zentralen kleiner Organisationen sowie in den 29 Zentralen der großen Organisationen kontrolliert, ob festgestellte Mängel im Arbeitsschutz inzwischen behoben wurden und wie die Vorhaben zur Verbesserung des Arbeitsschutzes umgesetzt wurden.

Die Arbeitsinspektion hat die besuchten Betriebe/Arbeitsstätten während der zwei Phasen der Schwerpunktaktion intensiv hinsichtlich einer systematischen Herangehensweise an Themen und Inhalte des Arbeitsschutzes beraten und die Organisationen unterstützt, sich auch bei gegebenen Rahmenbedingungen gezielt dem wirkungsvollen Sicherheits- und Gesundheitsschutz in der Mobilen Pflege zu widmen. Die praktische Umsetzung der Arbeitsplatzevaluierung inkl. der Arbeitsorganisation sowie die verstärkte und sinnvolle Beteiligung der Präventivdienste und Sicherheitsvertrauenspersonen waren hierbei häufig Thema. Maßnahmen zur besseren Organisation bei kurzfristiger Dienstplanänderung, Maßnahmen gegen Arbeitsverdichtung und Umgang mit gravierenden Missständen in den Privatwohnungen standen im Fokus der Beratungen und Kontrollen.

Ergebnisse

Quantitativ: Die Nachkontrolle in 100 Arbeitsstätten ergab, dass von den 288 in Phase 1 übertretenen Arbeitsschutzvorschriften 230 behoben waren (≙80% bewirkte Mängelbehebung) und in 41 Fällen die Mängelbehebung im Laufen war (≙ 14% bewirkte noch laufende Mängelbehebung). Dies betraf weitgehendst den Abschluss der Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastung, deren sinnvolle Umsetzung Zeit in Anspruch nimmt sowie die Präventivdienstliche Betreuung. In 5 Fällen kam die Arbeitsinspektion, trotz des intensiven Austausches und der aufwändigen Beratungen nicht umhin einen Strafantrag zu stellen.

→ 94% der Mängel waren bei der Nachkontrolle bereits behoben oder die Behebung im Laufen

Qualitativ: Erst in den letzten Jahren ist das Hinterfragen von Rollenzuschreibungen, die sich auch am Arbeitsplatz und in der Bewertung von Berufen negativ auswirken, stärker in den Mittelpunkt gerückt. Das gilt auch für die bislang oft fehlende Aufmerksamkeit für Sicherheits- und Gesundheitsrisiken, die mit Arbeiten verbunden sind, die häufiger von Frauen durchgeführt werden. Bereits durch die Auseinandersetzung mit der Situation des Arbeitsschutzes bei der mobilen Pflege und Betreuung wurden auch Gender- und Diversity-Aspekte angesprochen. Mit dem „in den Blickpunkt stellen“ einer Branche, in der überwiegend Frauen tätig sind, und dem „genaueren Hinschauen“ auf die Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten gehen meist automatisch Fragen nach Wertschätzung der Arbeit, Ressourcenverteilung, nach Handlungsspielräumen und Entwicklungsmöglichkeiten, Geschlechterverhältnissen und der Einbeziehung in Fragen des Arbeitsschutzes einher. Oft geben Prioritätensetzungen, die im Dreieck Trägerorganisation - betreute Personen – ArbeitnehmerInnen erforderlich werden, Aufschluss darüber, welcher Stellenwert den Leistungen und Bedürfnissen der meist weiblichen Beschäftigten beigemessen wird und welche Entscheidungskriterien die Verbesserung des betrieblichen Arbeitsschutzes und der Arbeitsorganisation bestimmen.

Durch die mehrjährige Beschäftigung mit dieser Branche und der intensiven internen Kommunikation in der Arbeitsinspektion ist ein gutes Bild vom Stand des ArbeitnehmerInnenschutzes in der Mobilen Pflege entstanden.

Dabei wurde die Annahme, dass es sich um eine Branche mit zunehmendem Arbeitsdruck handelt, bestätigt. Viele ArbeitnehmerInnen, die den Beruf ergriffen haben, scheinen unter dem starken wirtschaftlichen Druck (Einsatzzeit nach Vorgaben der geförderten Stunden), den unkalkulierbaren Einsatzzeiten und der geringen Bezahlung zu leiden. Die Fluktuation und die Krankenstände sind überdurchschnittlich hoch.

Bei den Präventivdiensten (sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung) ist der Hauptkritikpunkt die mangelnde Auseinandersetzung mit den Tätigkeiten in den Privatwohnungen, sowie eine adäquate und fachliche Beteiligung bei der Arbeitsplatzevaluierung der psychischen Belastungen.

Bei der Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastung sind die Hauptkritikpunkte, die mangelnde Umsetzung geeigneter Maßnahmen. Es wurde „viel Papier produziert“, mit vagen unkonkreten Maßnahmen, die in zu wenig Verbesserung der Arbeitsbedingungen vor Ort mündeten.

Österreichweit ergab sich kein homogenes Bild über einen Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und dem Niveau des Arbeitsschutzes. Als entscheidender Faktor wurde von der Arbeitinspektion die Aufgeschlossenheit und Wertigkeit des Arbeitsschutzes für die Unternehmensleitung wahrgenommen.

Kleinere Organisationen hatten durch kürzere und direktere Kommunikations- und Informationsflüsse Vorteile in der Umsetzung von geplanten Verbesserungen.

Größere Organisationen konnten durch Beiziehen von Fachleuten aus anderen Geschäftsfeldern Synergieeffekte erzielen, vielfach blieben diese jedoch unter ihren Möglichkeiten.

Viele Organisationen mit mehreren bzw. vielen Stützpunkten hatten nach wie vor Defizite bezüglich eines effizienten Informationstransfers. Auch in der Phase 2 fehlten notwendige Unterlagen und vor allem Informationen betreffend Arbeitsschutz in den Stützpunkten, die in den Zentralen vorhanden waren und dort auch gut beauskunftet werden konnten. Das vorhandene Wissen in den Zentralen wurde oft nicht effizient den Arbeitsbereichen, für die es erarbeitet wurde, kommuniziert (Mängel der innerbetrieblichen Arbeitsschutzorganisation).

Die genauen Ergebnisse und Erkenntnisse, sowie Maßnahmen der Organisationen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen finden sich im Endbericht der Schwerpunktaktion (2016) Endbericht Mobile Pflege und Betreuung (PDF, 1,0 MB) .

Letzte Änderung am: 13.07.2023